Sofie Levi
Geboren am 10. April 1893 in Weinsheim
Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas
Herkunft
Sofie Levi war das fünfte Kind des Händlers Heinrich Marx und seiner Frau Johanna, geborene Schiffmann. Sofie kam am 10. April 1893 in Weinsheim, Landkreis Bad Kreuznach, zur Welt. Ihre älteren Brüder Moritz, Ludwig und Otto waren 1886, 1887 und 1890, ihre ältere Schwester Paula 1889 geboren. Nach ihr kamen weitere Geschwister zur Welt: Hedwig 1894, Ella (Emanuella) 1896 und Meinhard 1897.
Sofie Marx war noch nicht einmal sieben Jahre alt, als am 17. März 1900 die Mutter mit 31 Jahren starb. Ihr Vater vermählte sich in zweiter Ehe mit Henriette Schiffmann und Sofie bekam weitere Geschwister: 1905 Walter, 1907 Luise, 1909 Lotte. Die Familie lebte in Weinsheim, mehr ist aus der Kindheit und Jugend von Sofie Marx nicht zu erfahren.
Eine eigene Familie im Kreis Saarlouis
Sofies ältere Schwester Paula Marx heiratete 1919 Siegfried Levy, den Bruder von August Levi. Spätestens dann lernte Sofie Marx ihren künftigen Ehemann kennen. Am 2. Januar 1922 heiratete sie August Levi und zog zu ihm nach Saarwellingen. Sie gebar drei Kinder: das älteste war Heinrich Daniel, genannt Heinz, am 3. Oktober 1922, das zweite war Johanna Helena, genannt Hannele, am 2. September 1923. Schließlich kam am 5. April 1935 Lore Rachel zur Welt. Zur Geburt begab sich Sofie Levi jedes Mal in die Klinik nach Saarlouis.
In Saarwellingen blieb die Familie nur etwa drei Jahre, dann zog sie im März 1925 nach Saarlouis in die Werderstraße 5, wo August Levi als Pferdehändler die Familie ernährte.
Die Lebensbedingungen für Juden verschlechterten sich nach der Angliederung des Saargebiets an das Deutsche Reich und viele zogen von Saarlouis weg. Die Familie Levi musste innerhalb von Saarlouis von der Werderstraße in die Lisdorfer Straße umziehen, wo sie spätestens 1938 lebte.
Hilferufe nach Amerika
Im Dezember 1937 nahm Sofie Levi Kontakt zu ihren Verwandten in den USA auf. Ihr Onkel Isaak Schiffmann war schon 1878 in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Auf seinen Kindern mit ihren Ehepartnern ruhten nun die Hoffnungen für die Cousinen und Cousins der Familie Marx, um Deutschland verlassen zu können.
Zuvor hatten schon die Brüder Ludwig und Otto Marx nach Amerika geschrieben. Ludwig Marx konnte mit seiner Familie im Frühjahr 1939 emigrieren. Die Briefe von Sofie Levi belegen, dass sie sich über die verschiedenen Möglichkeiten informiert hatte, wie die Kinder allein oder die Familie gemeinsam Deutschland entrinnen könnte. Aber die Bedingungen in den infrage kommenden Aufnahmeländern wechselten immer wieder. Zudem verstärkte das grausame Vorgehen der Nationalsozialisten ihre Notlage. Die Ausschreitungen in der Pogromnacht 1938 betraf die Familie direkt. Sofie Levis Ehemann wurde verhaftet und vom Gefängnis Saarbrücken in das Konzentrationslager Dachau überstellt. Erst am 19. Dezember kam er wieder frei.
Inzwischen hatte am 25. November 1938 die Cousine Elsie Schiffman der Familie Levi ein Affidavit, eine Bürgschaft, zur Unterstützung ausgestellt. Damit konnte ein Auswanderungsantrag gestellt werden. Allerdings erhielten sie eine sehr hohe Bearbeitungsnummer, 29464, und dies bedeutete eine mehrjährige Wartezeit. Deshalb wandte sich Sofie Levi auch an die jüdische Hilfsstelle in Berlin und eine jüdische Unterstützungsorganisation in London. Sie unterbreitete unterschiedliche Vorschläge, wie ein Brief vom 26. Mai 1939 belegt: „[…] daß uns jedes Land in dem wir arbeiten können fürs tägliche Brot recht ist und unsere Kinder Heinz 16 ½, Hanna 15 ½ Jahre alt lernen können. Die jüd[ische] Hilfsstelle in Berlin teilt mit, daß die Hilfsstellen in den Ver[einigten] Staaten jeden Rat und Hilfe erteilen und selbst gestützt auf Verwandte in den U.S. die Einreisepapiere in ein Zwischenland besorgen. Freunde von uns erhielten dadurch den Ruf der Chilen[ische] Regierung. Freunde von uns im Ausland stellen uns nach erfolgter Auswanderung 500 Dollar zur Verfügung. Ich bemerke ausdrücklich nach erfolgter Auswanderung. Jedes Land ist uns recht … Gleichzeitig setzte mich mit „German Jewish Aid Comitee“ in London in Verbindung, die sich inzwischen auch an Euch gewandt hat. […]
Von hier aus besagen die Canada-Bestimmungen, daß die Einwanderung durchaus möglich ist, wenn uns von dort aus die Einreise besorgt wird. Auch Alaska ist`s möglich unter denselben Bedingungen, wir haben in Canada Bekannte, die ausgewandert sind.
Liebe Verwandte! Bitte ermöglicht es doch daß sofort also in ganz kurzer Zeit mein l[ieber] Mann und Heinz fortkönnen, wenn auch vorübergehend nach Cuba oder sonstwo hin, bis daß auch ich mit den 2 Mädchen nachkomme, es eilt sehr.“
Evakuierung nach München
Das Saargebiet wurde nach Kriegsbeginn zur roten Zone erklärt und evakuiert – das betraf auch die Familie Levi. Mit nur wenigen Sachen kamen sie in München an. Die jüdische Gemeinde wies der Familie ein Zimmer bei der Landgerichtsratswitwe Eismann in der Tengstraße 32 zu. Da die Verhältnisse sehr beengt waren, kamen die Kinder bald anderweitig unter: Heinz Levi erhielt eine Unterkunft im jüdischen Lehrlingsheim, Johanna Levi, die eine hauswirtschaftliche Ausbildung im Antonienheim machte, konnte dort wohnen. Die jüngste Tochter Lore kam zur Pflege zur Familie des jüdischen Rechtsanwalts Hans Bloch am Odeonsplatz.
Sofie Levi trug mit der Herstellung von Filzblumen zum kargen Einkommen bei, während ihr Mann August Levi als Ausgeher für die jüdische Gemeinde stundenweise tätig war. Die Auswanderungsbemühungen setzte die Familie weiter fort. Nun auch mit der unentgeltlichen Unterstützung des Anwalts Hans Bloch. Auch er schrieb an die amerikanischen Verwandten, erläuterte die schwierige Lage der Familie, brachte neue Vorschläge und erreichte immerhin, dass die Familie mit Geld aus den USA unterstützt wurde.
Ein knappes Jahr blieb die Familie Levi in Schwabing, Anfang September 1940 wurden sie in die Lindwurmstraße 19 im vierten Stock bei Theodor Fellheimer einquartiert.
Am 8. November 1941 erhielt die Familie Levi die Nachricht, dass sie sich bereithalten und in Kürze zunächst in das Judenlager Milbertshofen gebracht werden sollten. Sie waren für die erste Deportation vorgesehen.
Am gleichen Tag verfasste Sofie Levi ihren letzten Brief an ihre Verwandten: „… ob wir Euch nochmal schreiben ist fraglich. Und helft, wenn uns zu helfen ist.
Vielleicht schreibt Euch auch unser l[ieber] Sohn Heinz allein, laßt ihm jede Hilfe zu Teil werden – eine todestraurige Frau u[nd] Mutter schreibt diese Worte. Die zwei Mädchen haben wir G[ott] s[ei] D[ank].
Schreibt Ludwig und grüßt ihn von uns Allen, ein herzliches Lebewohl und helft uns, helft uns
Eure Sofie“.
Nicht einmal drei Wochen später, am 20. November 1941, fuhr der Deportationszug mit etwa tausend Menschen Richtung Riga. Da das dortige Ghetto überfüllt war, lenkte die SS den Zug nach Kaunas und erschoss am 25. November 1941 alle Angekommenen, darunter die gesamte Familie Levi.
Bemühungen um Wiedergutmachung
Einige Geschwister Sofie Levis überlebten, auch weil sie emigrieren konnten. Ihr Bruder Ludwig Marx schaltete im Dezember 1945 eine Suchanzeige nach den ermordeten Geschwistern. Ihr Bruder Meinhard Marx, der nach dem Krieg in die USA ausgewandert war, stellte Ende der 1950er Jahre Wiedergutmachungsanträge an den Bayerischen Staat. Während es für den ehemaligen Besitz ihres Ehemannes Wiedergutmachungszahlungen gab, musste Sofie Levis Bruder Meinhard Marx feststellen, dass eine Entschädigung für Freiheitsentziehung nur vom Opfer selbst, dem Ehepartner oder Verwandten ersten Grades beantragt werden konnte. Sofern die Nationalsozialisten ganze Familien, wie die Familie Levi, ermordet hatten, musste der juristische Nachfolgestaat keine Entschädigung zahlen. Geschwister konnten für die Ermordung ihrer Schwester keinen Anspruch erheben. Das einzige, was der Bruder noch machen konnte, war den Tod der Familie erklären zu lassen.
Erinnerung an Sofie Levi
Am 20. Oktober 2022 wurde an der Tengstraße 32 ein Erinnerungszeichen gesetzt für August Levi, Sofie Levi, Heinz Levi, Johanna Levi und Lore Levi.
Text und Recherche
Eva Strauß
Quellen
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: LEA23050.
Bundesarchiv: Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945.
Staatsarchiv München: AG 167030 / OFD 7431.
Stadtarchiv München: EWK 65 / Datenbank Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden.
Stadtarchiv Saarlouis: Mail vom 12.5.2922.
Stolpersteine Stuttgart: Stolperstein für Walter Marx.
United States Holocaust Museum Washington, Margaret Anne Goldsmith Hanaw collection.
Literatur
Behrend-Rosenfeld, Else / Rosenfeld, Siegfried: Leben in zwei Welten. Tagebücher eines jüdischen Paares in Deutschland und im Exil. Herausgegeben und kommentiert von Erich Kasberger und Marita Krauss. München 2011, hier S.103ff.
Klauck, Hans Peter: Jüdisches Leben in der Stadt und im Landkreis Saarlouis 1680-1940, Saarlouis ³2016.
Marx, Albert: Die Geschichte der Juden im Saarland. Vom Ancien Régime bis zum Zweiten Weltkrieg. Saarbrücken 1992.