Pauline „Ziesa“ Höllenreiner, geb. Köhler
Geboren am 11. Juli 1896 in Althengstett
Deportiert am 13. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet am 3. September 1943 in Auschwitz
Pauline „Ziesa“ Höllenreiner, geb. Köhler wurde am 11. Juli 1896 in Althengstett/Württemberg geboren. Auf ihrer Geburtsurkunde ist ihre Mutter Brigitte Köhler notiert. Mehr ist über ihre Herkunft nicht bekannt.
Gründung einer Familie
Pauline „Ziesa“ Köhler heiratete am 24. Juli 1926 in Fürth standesamtlich Emil Leopold „Giggerla“ Höllenreiner, geboren am 2. Juni 1893 in Oberacker. Er wurde am 30. Juli 1943 in Sachsenhausen ermordet. Emil Leopold Höllenreiner entstammte der großen Sinti Schaustellerfamilie Rudolf und Johanna Höllenreiner.
Pauline Köhler bekam vor ihrer Hochzeit mit Emil Leopold „Giggerla“ Höllenreiner bereits drei Kinder. Diese waren:
Josephine „Loli“ Augustine Köhler, geboren am 16. Oktober 1921 in Erfde, überlebte den Porajmos. Porajmos ist die Bezeichnung für den Völkermord an den europäischen Sinti und Roma.
Josef „Mendlo“ Köhler, geboren am 22. Dezember 1922 in Laiz/Sigmaringen, überlebte den Porajmos.
Egon Köhler, geboren am 15. November 1925 in München, gestorben 1926 in der Nähe von Ochsenfurt.
Emil Leopold Höllenreiner gab am 12. Januar 1927 beim Bayerischen Amtsgericht zu Protokoll, dass er der Vater von Josef Köhler sei. Das Amtsgericht Hechingen hielt jedoch, mit Schreiben vom 25. August 1939, die Vaterschaftsanerkennung für falsch und gab an, dass ein Artist namens Arnold Müller, verstorben 1921 in Wiesen bei Bonn, der Vater von Josef Köhler sei. Allerdings müsste dann das Todesjahr von Arnold Müller falsch notiert sein, da Josef Köhler erst am 22. Dezember 1922 geboren wurde.
Pauline und Emil Leopold Höllenreiner hatten acht gemeinsame Kinder:
Rosa „Rani“ Höllenreiner, geboren am 2. Dezember 1926 in Fürth, gestorben am 20. Dezember 1968 in Utrecht/Niederlande.
Philippine Höllenreiner, geboren am 12. Juni 1928 in Fürth, ermordet am 20. März 1944 in Auschwitz.
Katharina Höllenreiner, geboren am 1. September 1929 in München, ermordet am 3. März 1944 in Auschwitz.
Christoph Thomas Höllenreiner, geboren am 30. Dezember 1930 in München, ermordet vermutlich am 26. September 1944 in Auschwitz.
Pauline Höllenreiner, geboren am 11. Juli 1932 in München, ermordet 1944 in Auschwitz.
die Zwillinge Georg und Anna Höllenreiner, geboren am 23. Juli 1935 in München, ermordet 1944 in Auschwitz.
Johanna Höllenreiner, geboren am 13. November 1937 in München, ermordet 1944 in Auschwitz.
Ab 1929 lebte Pauline Höllenreiner mit ihrer Familie in München. Am 31. Oktober 1940 erhielt Emil Leopold Höllenreiner seine Einberufung zum Sicherheits- und Hilfsdienst im Rahmen des Luftschutzdienstes. Damals wohnte die Familie in der Herzog-Wilhelm Str. 6/ II.
Am 20. Juli 1941 wurde Emil Leopold Höllenreiner aus dem Sicherheits- und Hilfsdienst entlassen. Dies geschah vermutlich aufgrund der Verordnung des Oberkommandos der Wehrmacht vom Februar 1941, wonach aus „Rassepolitischen Gründen“ alle „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“ zu entlassen waren.
Am 1. August 1941 zog die Familie in die Landsberger Str. 267 in das 2. Stockwerk.
Fremdunterbringung von drei Töchtern und Verhaftung ihres Mannes
Rosa, Katharina und Philippine wurden im November 1937, aus unbekannten Gründen, in die Fürsorgeerziehung genommen und wurden im Kinderheim St. Anna in Regensburg untergebracht.
Emil Leopold Höllenreiner wurde am 12. August 1942 wegen angeblicher „Bummelei und Arbeitsscheue“ im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Er wurde der Kategorie AZR (Arbeitszwang, Reich) zugeteilt und erhielt einen schwarzen Winkel, ein Abzeichen, das auf die gestreifte KZ-Häftlingskleidung genäht wurde, um den „Grund“ der Inhaftierung erkennen zu können. Am 4. September 1942 wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Dort verstarb er am 30. Juli 1943. Als Todesursache wurde eine doppelseitige Lungentuberkulose angegeben.
Deportation nach Auschwitz
Am 16. Dezember 1942 erließ der Reichsführer SS Heinrich Himmler den sogenannten Auschwitz-Erlass. Das Dekret regelte in bürokratisch-rassistischer Diktion, dass die deutsche Minderheit der Sinti und Roma mit ihren Kindern ebenso wie die Juden deportiert und schließlich ermordet werden sollten.
Die drei Töchter Rosa, Katharina und Philippine wurden am 7. März 1943 von der Gestapo aus dem Kinderheim in Regensburg abgeholt und nach München gebracht. Am 9. März 1943, morgens um 6 Uhr, kam die Polizei zu Pauline Höllenreiner in die Landsberger Str. 267. Sie durfte nur das Nötigste mitnehmen. Mit weiteren 130 Personen wurden sie und ihre Kinder verhaftet und in das Polizeipräsidium in der Ettstraße gebracht, wo alle drei Tage festgehalten wurden. Ihr Hausrat und ihre persönlichen Gegenstände wurden enteignet.
Am 13. März 1943 wurde sie, zusammen mit ihren acht Kindern, gemeinsam mit 134 anderen Sinti und Roma aus München, ins „Zigeunerlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Dies war ein Großteil der etwa 200 Sinti und Roma, die damals in München lebten. Die Bedingungen des Transports waren katastrophal. Drei Tage waren die Menschen ohne ausreichend Wasser und Nahrung, sowie ohne sanitäre Anlagen, in Güterwagons eingesperrt.
Am 16. März 1943 kam der Zug in Auschwitz an. Pauline Höllenreiner erhielt dort die Häftlingsnummer Z 3961. Sie starb am 3. September 1943. Sieben ihrer Kinder wurden 1944 im KZ Auschwitz ermordet.
Nur drei Kinder überlebten:
Ihre Tochter Josephine Köhler, verehelichte Homolka, wanderte 1949 mit zwei Kindern und ihrem Ehemann nach Australien aus. Ihre Tochter Rosa „Rani“ Höllenreiner, verehelichte Fok, ging nach 1945 in die Niederlande. Ihr Sohn Josef Köhler überlebte ebenfalls und wohnte später in Erlangen und Nürnberg.
Text und Recherche
Bettina Gütschow
Quellen:
Stadtarchiv München: Einwohnermeldekarte von Emil Leopold und Pauline Höllenreiner (Signatur: DE-1992-EWK-76-H-552).
Staatsarchiv München, Amtsgerichte 167077 und 1670778.
Onlinequellen:
Sarah Grandke: Höllenreiner, Rosa (publiziert am 08.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/hoellenreiner-rosa-364, aufgerufen am 13.08.2024.
https://www.stolpersteine-regensburg.de/2008wies_hoell15.pdf, aufgerufen am 13.08.2024.
https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/homolka-josefine-josefa-367, aufgerufen am 13.09.2024.
https://www.gdw-berlin.de/de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/josef-koehler/?no_cache=1, aufgerufen am 24.09.2024.
Literatur:
NS Dokumentationszentrum München: Die Verfolgung der Sinti und Roma in München und in Bayern, hrsg. von Winfried Nerdinger, Metropol Verlag Berlin 2016.
Tuckermann, Anja: „Denk nicht, wir bleiben hier!“ Die Lebensgeschichte des Sinto Hugo Höllenreiner, dtv, Deutscher Taschenbuchverlag, München 2008.