Elise Bickart, geb. Löwenstein
Elise Bickart (Foto: Stadtarchiv München, Kennkartendoppel 1938/39)
Geboren am 29. Oktober 1888 in Stuttgart
Deportiert am 20. November 1941 nach Kaunas
Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas
Herkunft und familiärer Hintergrund
Elise/Elisa Bickart wurde am 29. Oktober 1888 in Stuttgart als eines von vier Kindern der Eheleute Charlotte (geb. Schnell) und Dr. Alfred Löwenstein geboren. Alfred Löwenstein arbeitete in Stuttgart als Rechtsanwalt. Elise Bickart besuchte neun Jahre lang die Höhere Töchterschule, eine Einrichtung, in der Mädchen eine höhere Bildung vermittelt wurde. Seit 1901 war ihre Mutter in zweiter Ehe mit Jacob Heinsfurter verheiratet.
Eheschließung und Familiengründung
Elise Bickart heiratete am 10. Dezember 1909 in Augsburg den praktischen Arzt Dr. med. Otto Bickart. Kurz darauf, am 1. Januar 1910, zog das Ehepaar nach München in die Goethestraße 54/I. Am 1. März 1912 wurde Helene, das erste Kind von Elise und Otto Bickart, geboren. Es folgten Alfred, am 23. Oktober 1913, und Gertrude, am 3. April 1916. Elise Bickart kümmerte sich, üblich für die damalige Zeit, um Kinder und Haushalt. Am 4. Oktober 1933 zog die Familie in die Goethestraße 49/II um.
Schicksalsschläge
Mit der Erlassung der Nürnberger Gesetze am 15. September 1935 schuf der NS-Staat die Legitimationsgrundlage für die gezielte Verfolgung und Ausgrenzung von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Elise Bickart galt diesen Gesetzen zufolge als „Volljüdin", da alle ihre Großeltern jüdisch waren. Am 30. April 1936 verstarb Elise Bickarts Mutter, Charlotte Heinsfurter, in München. Wenige Wochen später, am 9. Juni 1936, verlor Elise Bickart ihren Mann Otto, der an einer unbekannten Todesursache verstarb.
Leben als Witwe und Emigrationsbemühungen
Als Witwe wohnte sie ab dem 29. September 1936 vorläufig in der Mozartstraße 14/I. Dort hatte ihr Stiefvater, Jacob Heinsfurter, gewohnt, der zuvor am 14. September verstorben war. Ab dem 8. Juli 1937 war Elise Bickart in der Destouchesstraße 20/II gemeldet. 1939, als es für Juden immer schwieriger wurde, auszuwandern, versuchte sie vergeblich nach Kuba zu emigrieren. Ihr letzter Wohnort in München war die Stievestraße 6/I, bei Schnell. Wahrscheinlich handelte es sich um Verwandte mütterlicherseits, bei denen sie am 13. September 1939 einzog.
Deportation und Tod
Am 20. November 1941 wurde Elise Bickart mit dem Zug von München ins Haft- und Arbeitslager Fort IX Kaunas (Litauen) deportiert, wo sie am 25. November 1941 ermordet wurde.
Der Travertin-Stein auf dem Grab ihres Mannes Otto Bickart, auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München, Sektion 18, Reihe 2, Platz 3, trägt eine Gedenkschrift für Elise Bickart.
Werdegang ihrer Kinder
Tochter Helene Bickart wurde staatlich geprüfte Gymnastiklehrerin und zog im Frühjahr 1932 nach Berlin. 1941 heiratete sie in Utrecht Joseph Iwiansky (1906-1944). Gemeinsam versuchten sie in die USA zu emigrieren, wurden aber von den „Nazis“ zunächst ins Durchgangslager Westerbork und am 11. Januar 1944 ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Hier wurde ihr Mann am 23. März 1944 ermordet. Sie überlebte das Konzentrationslager und siedelte nach New York über. In zweiter Ehe war sie mit Walter Stricks (1904 -1974) verheiratet. Helene Stricks starb am 1. Juni 2004 in Milwaukee, Wisconsin, USA.
Sohn Alfred Bickart war Musiker. Er emigrierte im November 1937 nach New York und starb am 16. November 1997 in Kansas City, USA.
Die zweite Tochter, Gertrude Bickart, war Kindergärtnerin und Fotografin. Sie heiratete im Juli 1938 den Kaufmann Kurt Hermann (1913 – 1980) in München und emigrierte mit ihm über Kuba in die USA. Sie starb am 31. August 2008 in Pensacola, Escambia County Florida, USA.
Text: Museum Villa Stuck, überarbeitet von Carolin Pfeuffer
Quellen:
Internet:
Arolsen Archive: Iwiansky Bickart, Helene: Signatur 01020402 124, online unter: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130310898?s=helene%20bickart&t=2574956&p=0, aufgerufen am 29.11.2024.
Arolsen Archive: Iwiansky, Joseph: Signatur 01020402 124, online unter: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130310899?s=joseph%20iwiansky&t=2574956&p=2, aufgerufen am 29.11.2024.
Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945: Eintrag Dr. med. Otto Bickart, online unter: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=10514, aufgerufen am 29.11.2024.
Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945: Eintrag Elise Bickart, geb. Löwenstein, online unter: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=1583, aufgerufen am 29.11.2024.
Bundeszentrale für politische Bildung: Vor 85 Jahren: Nürnberger Gesetze erlassen, Artikel vom 14.09.2020, online unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/501380/vor-85-jahren-nuernberger-gesetze-erlassen/, aufgerufen am 29.11.2024.
In der Höheren Töchterschule (ca. 1860), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, online unter: https://germanhistorydocs.org/de/vom-vormaerz-bis-zur-preussischen-vorherrschaft-1815-1866/ghdi:image-2349, aufgerufen am 29.11.2024.
United States Holocaust Memorial Museum: Holocaust-Enzyklopädie, Artikel Flüchtlinge, online unter: https://encyclopedia.ushmm.org/content/de/article/refugees, aufgerufen am 29.11.2024.
United States Holocaust Memorial Museum: Hermann familiy correspondence, online unter: https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn45112?rsc=206044&cv=0&x=1728&y=2394&z=1.0e-4, aufgerufen am 29.11.2024.
YAD VASHEM: Gedenkblatt Elise Bickart, online unter:
https://collections.yadvashem.org/en/names/13494279, aufgerufen am 29.11.2024.
Stadtarchiv München, Kennkartendoppel DE-1992-KKD-0329, https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=861416