Dr. jur. Alexander Ansbacher um 1930 (Foto: Privatbesitz)

Geboren am 22. Mai 1866 in Fürth

Gestorben am 18. Dezember 1936 in München

 

Herkunft

Die Familie Ansbacher stammte in väterlicher Linie ursprünglich vermutlich aus Schwäbisch Hall und siedelte sich Anfang des 17. Jahrhunderts in Ansbach an. Später ging man nach Fürth, handelte mit Juwelen und betrieb eine Bank (aus der im 19. Jahrhundert die Bank Ansbacher in Frankfurt und London entstand). Das Stammhaus in Fürth, eines der vornehmen Stadtpalais in der heutigen Alexanderstraße, ist erhalten und vor einigen Jahren grundlegend saniert worden.

Über Alexander Ansbacher ist wenig überliefert. Es gibt ein einziges Foto von ihm in höherem Alter, und über persönliche Interessen ist gar nichts bekannt.

Er wurde als siebtes von acht Kindern des Fürther Bankiers und Wechselsensals Jonas Ansbacher und seiner Frau Mathilde geboren. Sie stammte aus der Münchener Hopfenhändlerfamilie Billmann. Im Jahrgang 1873/74 besuchte er mit acht Jahren die I. Realklasse A der Latein- und Realschule in Fürth. 1874 starb der Vater und die Mutter zog mit den Kindern zu ihrer Familie nach München.


Die Familie zieht nach dem Tod des Vaters nach München

Hier besuchte Alexander Ansbacher das Wilhelmsgymnasium mit besten Noten (Abschluss 1885) und studierte danach an der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München vom Wintersemester 1885 bis zum Sommersemester 1889. Als Student hatte er zunächst eine Wohnung in der Theatinerstraße 3/II und dann in der Luisenstraße 6/I. Mit 26 Jahren, also vermutlich bald nach Beendigung seines Studiums, ließ er sich endgültig in München nieder, denn im Fürther Stadtarchiv gibt es einen Eintrag: "Alexander Ansbacher erwirbt in München am 19.2.1892 das Heimatrecht".

Am 30. August 1902 heiratete er in Mannheim Anna Elisabeth Eberstadt, die Tochter von August Ludwig Eberstadt und seiner Ehefrau Hermine, geborene Masbach.

Ob Alexander Ansbacher irgendwann in Mannheim oder Heidelberg gelebt hat, ist nicht bekannt. Möglich ist es. So erwähnt Anna Eberstadt Ansbacher 1949 in einem ihrer späten Briefe an ihren Bruder Paul Eberstadt in Caracas, sie habe nach dem Kriege die Familie Heinsheimer in Karlsruhe besucht. Dr. jur. Karl Heinsheimer (1869-1929) war Landgerichtsassessor, später Privatdozent an der Juristischen Fakultät in Heidelberg. 1907 wurde er ordentlicher Professor und 1928 Rektor der Universität Heidelberg. Max Hachenburg schreibt in seinen "Lebenserinnerungen eines Rechtsanwaltes" über ihn und hatte 1951 Kontakt mit dessen Witwe Anna geb. Dreifuss (1873-1955 Oxford) und mit ihrer Tochter Elisabeth Anna Heinsheimer. Beide waren Freundinnen von Anna Elisabeth geb. Eberstadt, der Ehefrau von Alexander Ansbacher, und konnten nach England entkommen. Die Tochter war außerdem das Patenkind der „Tante Anna“ gewesen.

Die Familie Ansbacher wohnte in München mit Annas Mutter Hermine Masbach Eberstadt in der Heßstr. 8/I. Beide hatten sich am 1. Oktober 1910 von Mannheim abgemeldet, nachdem Vater und Ehemann August Ludwig Eberstadt dort gestorben war.


Seine Karriere im Justizdienst

In Alexander Ansbachers Dienstakte, heute beim Hauptstaatsarchiv München gelegen, ist erhalten, dass er im 2. juristischen Staatsexamen einen Bruch-Einser Abschluss hingelegt hat, was einer enorm guten Benotung gleichkommt (die Benotung war 25/28, also besser als 1,0!). 1892 legte er seine Staatsprüfung ab, 1894 erhielt er die Zulassung zum Rechtsanwalt, entschied sich aber für eine Laufbahn im Justizdienst. Der "geprüfte Rechtspraktikant" wurde 1894 Sekretär beim Amtsgericht München I. 1896 wurde er zum Amtsrichter, 1902 zum Richter am Landgericht München I ernannt.

Über seine berufliche Tätigkeit während des Ersten Weltkriegs ist nichts bekannt. Er war jedenfalls kein aktiver Frontsoldat.

1915 erfolgte die Berufung zum Stellvertretenden Landgerichtsdirektor und 1920 wurde er Richter am Oberlandesgericht München. 1926 wurde er zum Oberstlandesgerichtsrat ernannt und war somit Jurist und Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht. Damit war er einer der am höchsten angesiedelten juristischen Beamten im damaligen Bayerischen Staat.

Seine Vorgesetzten beurteilten ihn als besonders tüchtig und seine Karriere im Justizdienst belegt dies auch.

Das war damals nicht so einfach, denn der Antisemitismus in Bayern war nie ganz ausgerottet, und es durften nur zwei jüdische Räte an hervorgehobener Stelle arbeiten. Juden konnten also noch so gut in ihrem Fach sein, ausschlaggebend war die Quote. Der zweite jüdische Rat war Dr. jur. Alfred Neumeyer.

Die Familien Ansbacher und Eberstadt waren mit Dr. jur. Alfred Neumeyer (1867-1944), dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde München und Begründer des Landesverbands der Bayerischen Jüdischen Gemeinden gut befreundet. Familie Neumeyer wohnte von 1920 bis 1932 in der Heßstraße 10, in der Nachbarschaft also. Dort hielt sich auch der Neffe Walter Eberstadt (Sohn von Anna Ansbachers Bruder Paul) während seines Studiums in München, anlässlich der in diesem Hause regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunden und Diskussionen, auf, wie Walter Eberstadt in seinem Tagebuch berichtet. Dr. Neumeyer und seine Frau emigrierten 1941 nach Argentinien, wo beide 1944 in der jüdischen Colonia Avigdor starben.

Alfred Neumeyer schrieb in seinen Memoiren von 1944 "Wir wollen den Fluch in Segen verwandeln":

Seite 29: "... Mitschüler und Schulfreunde der frühesten Zeit waren ... Alexander Ansbacher und Max Perles (die beiden Schüler des Wilhelmsgymnasiums)."

Seite 156: "Das Präsidium des Oberlandesgerichts München hatte mich zum Rat beim Obersten Landesgericht in München ernannt. Dieses Gericht beruhte auf einem bayerischen "Reservatrecht", es war ein Rest der einst unbeschränkten bayerischen Justizhoheit. Die Zuständigkeit erstreckte sich in Strafsachen auf Revisionen gegen die Urteile der Strafkammern der Landgerichte als Berufungsgerichte und auf Beschwerden gegen Beschlüsse der Landgerichte und Oberlandesgerichte. Es war einzige Instanz in Hochverrats- und Landesverratssachen, die vom Reichsgericht überwiesen wurden. In Zivilsachen war der Gerichtshof zuständig für Revisionen gegen die Urteile der Oberlandesgerichte, soweit bayerisches Recht zur Anwendung gelangte, in der nicht streitigen Gerichtsbarkeit für sämtliche Rechtsbeschwerden in letzter Instanz. Daneben war das Gericht Disziplinarhof, nämlich Berufungsgericht gegen die Beschlüsse der Oberlandesgerichte als Disziplinarkammern für richterliche und nicht richterliche Beamte, insbesondere Lehrer, Post- und Bahnbedienstete. Es erstattete der Staatsregierung Gutachten, vor allem in verfassungsrechtlichen Angelegenheiten, und es war oberste Instanz für die juristische Staatsprüfung.

Dem Gericht gehörten die mir befreundeten Räte Silberschmidt und Ansbacher an. Als ich mich bei Justizminister Gürtner vorstellte, bemerkte er, die politischen Verhältnisse würden es nicht gestatten, mehr als zwei jüdische Räte anzustellen ... . Tatsächlich trat Silberschmidt zurück ... . So wurde ich ab 1. November 1929 zum Rat am Obersten Landesgericht befördert."

Seite 164: "... Im Mai 1933 ... brachte mir der Präsident schriftlich eine Entschließung der bayerischen Regierung zur Kenntnis, dass ich aus organisatorischen Gründen ... versetzt werde, wenn ich nicht die Pensionierung beantragen wolle. Ich ersuchte darauf, gleich meinem Kollegen Ansbacher, um Versetzung in den Ruhestand. Das Gesuch wurde umgehend, ohne die übliche Anerkennung der Dienstleistung, unter Festsetzung des ordnungsgemäßen Ruhegehalts, mit Wirkung zum 1. Juni 1933 bewilligt, ohne dass der Unterschiedsbetrag zwischen Gehalt und Ruhegehalt, was bisher Rechtens war, noch weitere zwei Monate ausbezahlt wurde. Der Abschied, nicht nur vom Präsidenten und den Richtern, sondern vom gesamten Kanzlei- und Botenpersonal war ungemein herzlich. Ich hielt mich vom hergebrachten Weinfrühschoppen fern, an dem auch die pensionierten Kollegen teilnahmen und wurde darauf von den Kollegen aufgefordert, doch wiederzukommen, wovon ich auch ein- oder zweimal noch Gebrauch machte ... Die Altersgrenze für Richter war damals mit 68 Jahren erreicht. Ich hätte also unter normalen Verhältnissen noch 1 3/4 Jahre im Amt bleiben können."

So ähnlich gestaltete sich auch Alexander Ansbachers berufliches Ende. Was man aus seiner Dienstakte weiß, ist das Folgende.


Das Ende der Karriere im Nationalsozialismus

Sehr früh nach der Machtergreifung, schon am 1. April 1933, entfernten ihn die Nazibanden aus dem Dienst. Jedoch bereits am 12. April befand er sich wieder im Dienst, da man erkannt hatte, dass er ein sogenannter "Altbeamter" war, für die zu jener Zeit der berüchtigte Erlass "Zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" noch nicht angewendet wurde. Aber Alexander Ansbacher war offenbar zutiefst getroffen: er reichte am 13. April ein Gesuch an den Justizminister Bayerns ein, demzufolge er in den Ruhestand versetzt zu werden wünschte. Damals wurde man mit 68 Jahren pensioniert, und so alt war er noch nicht. Man war natürlich froh, ihn auf diese "saubere" Weise los zu werden, und so wurde er am 1. Juni 1933 in den Ruhestand versetzt, genau wie sein Freund Alfred Neumeyer.

Alexander Ansbacher hatte von 1894 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 39 tadelsfreie Dienstjahre hinter sich. Es ist anzunehmen, dass er noch gerne 1934 sein 40-jähriges Dienstjubiläum gefeiert hätte. Sein Vorgesetzter hatte angeregt, ihm "Dank und Anerkennung für seine langjährige vorbildliche Dienstleistung auszusprechen", was man ihm aber verweigerte.

Er lebte jedoch nicht mehr lange, zu tief war die seelische Verletzung. Alexander Ansbacher starb nur zwei Jahre später, mit 70 Jahren, am 18. Dezember 1936.


Gedenken

Seine Grabstätte liegt auf dem Alten Israelitischen Friedhof in der Thalkirchner Straße. Er ist dort im Grab seiner Schwiegermutter Mathilde, geborene Billmann, bestattet.


Schicksal naher Angehöriger

Seine Witwe, Anna Elise Ansbacher, geborene Eberstadt, hat Theresienstadt überlebt. Sie kam am 5. Februar 1945 mit einem Austauschtransport in die Schweiz und ist am 9. Januar 1951 in München verstorben.

Die Schwester, Ida Rosenbusch, geborene Ansbacher, lebte ebenfalls in München und war mit dem Justizrat Dr. jur. Julius Rosenbusch verheiratet. Ida Rosenbusch verstarb am 3. November 1939 in München. Ihr Mann beging im Vorfeld der Deportation, am 16. Juni 1942, in München Selbstmord. Ihre Gräber befinden sich auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München.


Text und Recherche

  • Christof Eberstadt

Quellen

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bestand MJu 19017.

  • Eberstadt Christof, Biografische Notizen zu Alexander Ansbacher und seiner Ehefrau Anna Eberstadt, Erlangen, 2024.

Internet

Buch

  • Weber Reinhard, Rechtsnacht - Jüdische Justizbedienstete in Bayern nach 1933, Herausgegeben vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz und Verbraucherschutz, JVA Landsberg am Lech, 2012, S. 24 und 57.

  • Weber Reinhard, Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Bayern, R. Oldenbourg Verlag München, 2006.

  • Neumeyer, Alfred, "Wir wollen den Fluch in Segen verwandeln" : drei Generationen der jüdischen Familie Neumeyer: eine autobiografische Trilogie, Metropol-Verlag, Berlin, 2007.

 
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Anna Ansbacher, geb. Eberstadt