Karoline Weil
Karoline (Lina) Weil, geb. Eckstein
Geboren am 21. Juli 1875 in München
Suizid am 1. Juli 1942 in München
Elternhaus
Von Karoline Weil, geboren am 21. Juli 1875 in München, ist nicht einmal eine Fotografie erhalten geblieben. Auch über ihre Familie, ihre Kindheit und Jugend konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Von ihren Eltern weiß man nur die Namen: Philipp Eckstein und Frieda Eckstein, geborene Kahn. Da Karoline Weil den Beruf einer Sozialbeamtin ausübte, ist anzunehmen, dass sie die Höhere Töchterschule besuchte.
Heirat
Am 27. Dezember 1897 heiratete sie den Kaufmann Julius Weil, geboren am 15. September 1863 in Schweinfurt. Im Oktober 1900 zog das Ehepaar in die Ländstraße 6 im Stadtteil Lehel. Die Ehe, die kinderlos blieb, währte nur fünfzehn Jahre. Als Julius Weil am 21. Dezember 1912 starb, war Karoline Weil siebenunddreißig Jahre alt.
Leben als Witwe
Karoline Weil lebte noch weitere neunzehn Jahre in der Ländstraße. Erst 1931 zog sie zur Untermiete zu Rudolf und Betty Selz in die ebenfalls im Lehel gelegene Triftstraße 6. Im Dezember 1935 gelang Rudolf Selz die Emigration nach England, ein halbes Jahr später mietete Betty Selz eine Wohnung in Schwabing. Auch dort, in der Franz-Joseph-Straße 15, vermietete sie ein Zimmer an Karoline Weil.
Karoline Weils Testament
Im April 1938 forderte der NS-Staat alle jüdischen Bürger unter Strafandrohung auf, bis zum 30. Juni ihr gesamtes Vermögen offenzulegen. Karoline Weil verfügte über keine Reichtümer, trotzdem dürfte dies der Anlass gewesen sein, am 6. Mai ihr Testament aufzusetzen. Vielleicht hatte sie keine Verwandten oder Freunde, vielleicht hatten diese Deutschland bereits verlassen – so wie es Betty Selz auch vorhatte. Der einzige Mensch, der ihr offenbar näher stand, war die nichtjüdische Schneiderin Anna Stadler. In deren Damenschneiderei in der Barerstraße 2 hatte sie dreißig Jahre lang ihre Kleider nähen lassen. Aus langjähriger Verbundenheit setzte sie nun Anna Stadler als Alleinerbin ein.
Nach dem Novemberpotrom
Eine der Auswirkungen des Novemberpogroms 1938 war die Aufhebung des Mieterschutzes. In das Haus in der Franz-Joseph-Straße 15 wurden ab Frühjahr 1939 zunehmend entmietete münchner Juden eingewiesen. Betty Selz gelang im August 1939 die Flucht aus Deutschland, Karoline Weil hatte diese Möglichkeit nicht. Sie erlebte mit, wie in das Haus innerhalb kurzer Zeit etwa vierzig Menschen einziehen mussten. Nach der Auflösung dieses „Judenhauses“ Ende August 1941 fand sie für sechs Wochen eine Unterkunft bei der jüdischen Zimmervermieterin Agathe van Wien in der Kaulbachstraße 33. Mitte Oktober 1941 musste Agathe van Wien das Gewerbe abmelden. Beide Frauen sowie einen weiteren Pensionsgast, Pauline Hesselberger, verwies man daraufhin in die Richard-Wagner-Straße 11, einem weiteren „Judenhaus“.
Beginn der Deportationen
In der Richard-Wagner-Straße 11 waren etwa vierzig Jüdinnen und Juden untergebracht. Mitte November 1941 musste Karoline Weil miterleben, wie die Gestapo fünf von ihnen zum Transport ins Sammellager Milbertshofen abholte und Finanzbeamte das zurückbleibende Eigentum auflisteten.
Am 16. März 1942 brachte die Gestapo eine weitere Gruppe von sieben Menschen nach Milbertshofen – darunter Karoline Weil. Welche Art von Zwangsarbeit sie in den folgenden drei Monaten im Lager leisten musste, ist unbekannt. Am 1. Juli 1942 nahm sich Karoline Weil das Leben. Ein Zusammenhang mit den Deportationen nach Theresienstadt, die die Gestapo ab 1. Juli 1942 von Milbertshofen aus durchführte, ist unübersehbar.
Karoline Weils Grab befindet sich auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Sektion 5, Reihe 7, Platz 6.
Anna Stadler und das Testament:
Anna Stadler eignete sich das Erbe Karoline Weils an, ohne die notwendigen Formalitäten einer Testamentseröffnung abzuwarten. 1943 meldete sich das Oberfinanzpräsidium bei der Schneiderin und rügte, sie sei dazu nicht berechtigt gewesen, zumal das Vermögen Karoline Weils schon vor deren Tod eingezogen worden sei. Auf die Forderung, die 565,81 Reichsmark zurückzuzahlen, antwortete Anna Stadler, sie habe das Geld ihren „Mädchen“ in der Schneiderei geschenkt: „…Ich wollte von diesem Geld nichts haben, den[n] ich hatte eine Abneigung gegen Juden u. dieses Geld…“.
Text und Recherche
Ingrid Reuther
Quellen:
Staatsarchiv München: OFD 8553.
Stadtarchiv München: Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945; EWK 38; Hausbogen.
Literatur:
Wolfram P. Kastner (Hrsg.): „Auf einmal da waren sie weg“, München 2017.