Gustav Gänswein
Geboren am 6. Juni 1892 in Riedern am Wald
Verstorben am 3. März 1940 im Konzentrationslager Buchenwald
Herkunft und Familie
Gustav Gänswein kam am 6. Juni 1892 in Riedern am Wald, einem kleinen Dorf im Schwarzwald, zur Welt. Seine Eltern, Otto (August) Gänswein und (Ursula) Maria, geborene Boll, hatten noch weitere sechs Kinder. Ein Jahr zuvor, 1891, war sein älterer Bruder August Gänswein geboren worden. 1893 folgte sein Bruder Ernst und 1895 Friedrich, der allerdings schon 1896 verstarb. Wie schon Gustavs Großvater war auch sein Vater Otto Gänswein Schmied. Zusätzlich betrieb die Familie eine kleine Landwirtschaft. Vermutlich reichte beides nicht zur Ernährung der Familie aus, denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts verließ die Familie Riedern. An den Geburtsorten der drei weiteren Kinder lässt sich ablesen, wo die Familie sich in den folgenden Jahren aufhielt: Karl wurde 1898 in Ulm geboren, Frieda 1901 und Mathilde 1903 in Singen, Anna 1905 in Villingen. In diesen Jahren arbeitete sein Vater als Krankenwärter, später als Fabrikarbeiter. Ab 1909 lebte die Familie dann in Konstanz.
Aus seiner Krankenakte wissen wir, dass Gustav Gänswein vom siebten bis zum 14. Lebensjahr bei einer Tante in Dogern bei Waldshut-Tiengen lebte, wo er auch die Volksschule besuchte. Wie es zu dieser Zeit üblich war, begann für ihn mit 14 Jahren das Berufsleben. Jetzt lebte er wieder bei seinen Eltern in Konstanz, wo die Familie ab 1909 lebte. Hier war er Kaufmannslehrling bei der Kartonagenfabrik A.G.
Gebrüder Gänswein AG
Er war noch sehr jung, als er um 1912/13, gemeinsam mit seinem Bruder August Gänswein, das Handelsbüro „Gebr. Gänswein“ gründete. Das Geschäft entwickelte sich erfolgreich. Bis 1914 soll die Firma sechs Mitarbeiter beschäftigt haben. Dann unterbrach der Erste Weltkrieg die weitere Entwicklung des Unternehmens.
Während des Krieges diente Gustav Gänswein als Gefreiter in der 1. Kompanie des Armierungsbataillons 107. Weil er, wie es heißt, „seit 5. Juli 1915 im Felde“ stand und unter anderem in Russland, Galizien, dem Balkan und Frankreich kämpfte, wurde er 1918 für die Karl-Friedrich-Verdienstmedaille in Silber vorgeschlagen. Die Medaille wurde für „besondere Tapferkeit“ und „ausgezeichnete Leistungen“ verliehen.
1918 kehrte er in das Geschäft nach Konstanz zurück und arbeitete wieder in seinem Geschäft. Die Belegschaft des Unternehmens wuchs auf 12 bis 15 Mitarbeiter an. Ab Beginn der 1920er Jahre sind in zahlreichen Tageszeitungen Anzeigen der „Gebrüder Gänswein“ zu finden, die dort als „Immobilien-Konzern“ firmierte. Dabei wurde die „Zentrale Konstanz a.[m] B.[odensee]“ betont und als „Größtes Büro seiner Branche“ bezeichnet. Mehrere Zeitungsartikel erwähnten die Firmenbesitzer August und Gustav Gänswein. Nicht nur die Zeitungsannoncen lassen auf eine breit angelegte Geschäftstätigkeit schließen, auch der Aufdruck auf Briefbögen zeugt davon. Klein gedruckt unter dem Firmennamen ist zu lesen: „Immobilien, Hypotheken, Finanzierungen, Bankgeschäfte, Warenagenturen, Versicherungen, Reiseverkehrsbüro, Seeagenturen, Geldwechsel etc.“. 1923 wandelten die Brüder die Firma in eine Aktiengesellschaft um. Ab 1924 verstärkte das Unternehmen seine umfangreiche Werbung mit dem Hinweis, dass sie in 60 Städten Agenturen unterhalten. Ein Briefbogen wirbt mit dem Zusatz: „Niederlassungen in Deutschland, Österreich, Tschechoslowakei, Schweiz, Italien und Amerika etc.“.
Heirat
1922 heiratete Gustav Gänswein die aus Bern stammende Bürgerstochter Amalie Galli. Die Braut brachte, so erzählte es Gustav später seinem Arzt, ein größeres Vermögen mit in die Ehe ein. Im Februar 1924 kam die Tochter Elisabeth zur Welt. In der Krankenakte hielt der Arzt eine Bemerkung Gustav Gänsweins fest, wonach er „von jeher unglücklich verheiratet gewesen [sei]. Es sei eigentlich immer eine zwangsläufige Geldheirat gewesen“. Der Fürsorger, der ihn später betreute, hielt in den Akten fest, dass er sich nicht um seine Familie kümmerte. 1929 wurde die Ehe wohl geschieden. Wie konnte es dazu kommen?
Konkurs, Krankheit und Haft
Hinter den Kulissen scheint es nicht ganz so reibungslos gelaufen zu sein. 1924 gab es mit seinem Bruder August Differenzen über die geschäftlichen Aktivitäten. Gustav wollte sich selbständig machen und verließ das Unternehmen. Sein Vermögen und das Vermögen seiner Frau, das sie in die Gänswein AG eingebracht hatten, war dort gebunden, so dass keine Auszahlung möglich war. Zudem wandte sich die Firma Gebrüder Gänswein AG daraufhin im Juni 1924 an das Bezirksamt Konstanz mit dem Hinweis, dass Gustav Gänswein unter eigenem Namen ein Gewerbe als Immobilien- und Finanzbüro anmelden wolle. Die Firma bat darum, Gustav Gänswein die Erlaubnis hierzu nicht zu erteilen.
Kurz darauf, 1925, musste die Aktiengesellschaft Konkurs anmelden. Damit verloren Gustav Gänswein und seine Frau ihr gesamtes Vermögen.
Ab dem 18. Juni 1925 befand sich Gustav Gänswein in der Badischen Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz. Als Diagnose wurde Alkoholismus und Psychopathie festgestellt. Am 24. August 1925 brach er die Behandlung eigenmächtig ab. Er kehrte von einem Ausgang nicht mehr zurück.
Ende 1925 bis 2. Januar 1926 war er wegen des dringenden Verdachts auf Betrug im Landesgefängnis Rottenburg inhaftiert. Aus der Krankenakte geht hervor, dass ihn 1926 das Amtsgericht Konstanz zu acht Monaten Gefängnis verurteilt hatte.
1929 lebte er für wenige Wochen in München und meldete sich dann nach Ulm ab. Dort verlieren sich für einige Jahre seine Spuren.
Ab dem 16. Juli 1938 war Gustav Gänswein im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Seine Einlieferung hatten die Konstanzer Behörden veranlasst. Im Lager musste er den schwarzen Winkel tragen, der ihn als „AZR / ASR -Häftling Arbeitszwang Reich / Arbeitsscheu Reich“ gekennzeichnete. Häftlinge mit diesem Winkel wurden auch als „Asoziale“ bezeichnet, weil sie angeblich durch ihr „sozial abweichendes Verhalten“ die Allgemeinheit gefährdeten. Nach den Maßstäben der Nationalsozialisten fielen darunter z.B. Menschen mit Alkoholkrankheit sowie Menschen ohne festen Wohnsitz und Bettler.
Gustav Gänswein wurde am 21. März 1939 in das gefürchtete Konzentrationslager Mauthausen überstellt, aber bereits am 8. Mai 1939 wurde er wieder in das Konzentrationslager Dachau zurückgeführt. Kurze Zeit später, am 26. September 1939, wurde Gustav Gänswein daraufhin in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt, wo er nur wenige Monate später, am 3. März 1940, angeblich an Herzversagen starb.
Der ein Jahr ältere Bruder August Gänswein wurde in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz ermordet. Er war unter dem § 175 RStGB – Homosexualität – ins Konzentrationslager Dachau gebracht worden. Als junger Mann hatte er bei einem Unfall ein Bein verloren, was ihm später in Dachau die Einstufung als „Arbeitsuntauglich“ einbrachte und im Januar 1942 zur Deportation nach Schloss Hartheim geführt haben dürfte.
Text und Recherche
Stefan Dickas
Quellen
Auskunft der Gemeindeverwaltung Ühlingen-Birkendorf vom 4.7.2022, Familienbuch.
Stadtarchiv Konstanz, Bestand S XXXIII, Z XII Auszug aus der Konstanzer Zeitung vom 12.4.1924, 24.3.1934 und vom 31.3.1934, Bodensee-Rundschau vom 11.2.1941 und 15.2.1941, S XI / 140, S I 312, S II / 11786.
Stadtarchiv München, EWK 65, G 329.
Mauthausen KZ-Gedenkstätte, Sammlungen, MM/Y50/01/05/39, Ausdruck Meta Datenbank August und Gustav Gänswein, MM/E/13/13, MM/Y37-38.
Generallandesarchiv Baden-Württemberg, Signatur 233, Nr. 58215.
Arolsen Archives, Bestand 1.1.5 Individuelle Häftlingsunterlagen Buchenwald Gustav Gänswein Dokumente 5920495 bis 498.
Arolsen Archives, Bestand 1.1.6 Individuelle Häftlingsunterlagen Dachau Schreibstubenkarte Gustav Gänswein Dokument 10645891.
Staatsarchiv Freiburg, B 822/ 1 Nr. 1184, Bestand Heil- und Pflegeanstalt Konstanz. Patientenakten Männer, Gustav Gänswein.
Staatsarchiv Freiburg, B 715/1 Nr. 4106, Landratsamt Konstanz.
Onlinequellen
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de Verschiedene Artikel zur Unternehmung Gebrüder Gänswein.