Carry Brachvogel

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Carry Brachvogel (Quelle: Stadtarchiv München DE-1992-FS-PK-PER-B-185)

Geboren am 16. Juni 1864 in München

Ermordet am 7. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt

 
 

Vorbemerkung

Da es zur Schriftstellerin Carry Brachvogel eine umfangreiche Biografie gibt, die auch online abrufbar ist, beschränkt sich vorliegende Biografie auf wenige Rahmendaten sowie bislang nicht berücksichtigte Details zur Biografie Carry Brachvogels.


Die Schriftstellerin

Karoline Hellmann, die älteste Tochter des Bankiers Heinrich Hellmann (1819-1880) und seiner Frau Zerline Hellmann (1838-1923) kam am 16. Juni 1864 in München zur Welt. Ihr Bruder, Siegmund Hellmann (1872-1942) war acht Jahre jünger.

Im Februar 1887 heiratete Karoline Hellmann den katholischen Schriftsteller und Redakteur Wolfgang Brachvogel. Mit ihm bekam sie zwei Kinder, 1888 die Tochter Feodora, die ungetauft blieb und ein Jahr später den Sohn Heinz, den das Ehepaar katholisch taufen ließ.

Doch schon einige Jahre später verunglückte Wolfgang Brachvogel im Sommer 1892 tödlich.

Die junge Witwe mit zwei kleinen Kindern musste nun für den Lebensunterhalt selbst aufkommen. Sie hatte schon in den späten 1880er Jahren zu schreiben und publizieren begonnen und  veröffentlichte bis 1933 über 40 Romane, Biografien, Erzählungen, Aufsätze in Zeitschriften, Artikel in Zeitschriften und Bühnenstücke.

Im Zentrum ihrer schriftstellerischen Tätigkeit standen Frauenleben in allen Facetten und aus allen Zeiten. Hinzu kamen eine starke Heimatverbundenheit und ein großer Patriotismus.

Die religiös indifferente Carry Brachvogel lebte das von ihr geschaffene Ideal der berufstätigen und selbständigen Frau. Und sie konnte gut davon leben. Zudem unterhielt sie in ihrer Wohnung einen literarischen Salon, zu dem sie viele bekannte Schriftsteller:innen, Künstler:innen und bekannte Persönlichkeiten lud. Ihr Witz und ihre Schlagfertigkeit waren weithin bekannt.

Ein Buch über die politische Tätigkeit der Frau. Ersterscheinung 1920.

Die junge Witwe mit zwei kleinen Kindern musste nun für den Lebensunterhalt selbst aufkommen. Sie hatte schon in den späten 1880er Jahren zu schreiben und publizieren begonnen und  veröffentlichte bis 1933 über 40 Romane, Biografien, Erzählungen, Aufsätze in Zeitschriften, Artikel in Zeitschriften und Bühnenstücke.

Im Zentrum ihrer schriftstellerischen Tätigkeit standen Frauenleben in allen Facetten und aus allen Zeiten. Hinzu kamen eine starke Heimatverbundenheit und ein großer Patriotismus.

Die religiös indifferente Carry Brachvogel lebte das von ihr geschaffene Ideal der berufstätigen und selbständigen Frau. Und sie konnte gut davon leben. Zudem unterhielt sie in ihrer Wohnung einen literarischen Salon, zu dem sie viele bekannte Schriftsteller:innen, Künstler:innen und bekannte Persönlichkeiten lud. Ihr Witz und ihre Schlagfertigkeit waren weithin bekannt.

 

Einsatz für Frauenrechte

Allgemeine Zeitung vom 14.6.1925

Carry Brachvogel war schon seit 1903 Mitglied im Münchner Verein für Fraueninteressen und gehörte später dem Vorstand an. Sie engagierte sich in der Rechtsschutzstelle und setzte sich für Schauspielerinnen ein. Während des Ersten Weltkrieges gründete sie im Verein für Fraueninteressen eine Nähstube für Bedürftige.

Gemeinsam mit anderen gründete sie 1913 den Münchner Schriftstellerinnen-Verein, den sie nicht nur als Netzwerk für Schriftstellerinnen und Journalistinnen sah, sondern der auch dafür eintrat, dass schreibende Frauen ihre Texte nicht zu Schleuderpreisen oder unentgeltlich abgaben. Außerdem installierte sie als langjährige Vorsitzende in den 1920er Jahren einen Hilfsfond für bedürftige Journalistinnen und Schriftstellerinnen.

1933 musste sie den Vorsitz des Vereins Münchner Schriftstellerinnen aufgeben und aus dem Verein austreten. Sie erhielt von Nationalsozialisten ein Berufsverbot und konnte fortan nicht mehr publizieren.


Berufsverbot und Leben in der NS-Zeit

Zusammen mit ihrer Tochter lebte Carry Brachvogel nun mit über 70 Jahren zurückgezogen in der Herzogstraße 55. In ihre Fünfzimmerwohnung nahm sie 1936 zunächst eine alte Bekannte aus dem Verein für Fraueninteressen, Julie Weinmann, auf. Nach deren Tod zog ihr Bruder Siegmund Hellmann zu ihr.

Drei Tage vor ihrer Deportation im Juli 1942 gab die Schriftstellerin Carry Brachvogel eine Vermögenserklärung ab. Wie jeder Jude, jede Jüdin musste sie vor der Verschleppung einen achtseitigen Fragebogen ausfüllen.  Nicht nur noch vorhandenes Mobiliar und Wertgegenstände mussten notiert werden, sondern auch Kleidungsstücke bis hin zur Anzahl der Strümpfe und Unterwäsche. Das erleichterte den Nationalsozialisten den raschen räuberischen Zugriff auf die zurückgelassenen Gegenstände. Carry Brachvogel nutzte den Fragebogen, um die Nationalsozialisten auf ihre eigene Art vorzuführen.  

Bei der Frage nach dem Beruf schrieb sie nur: „ist ihr verboten“. Bei der Frage nach der Wohnsituation gab sie zu erkennen, dass sie vorgesorgt hatte: in der Wohnung lebte die 78jährige nicht als Mieterin oder Untermieterin, sondern: „Ich bin nicht Untermieter, sondern lebe im Haushalt meiner Tochter (Herzogstr. 55/1) die Mischling (1. Grades) katholisch und Wohnungsinhaberin ist .. und mich unterstützt.“

Zu ihrem Besitz an Möbeln und Wäsche notierte sie: „Ich bin durch Vertrag (Vergleich) verpflichtet, meine Tochter für jahrelange und künftige Zuwendungen durch Überlassung meiner Wohnungseinrichtung zu entschädigen.“

Wann sie diesen Vertrag und die Änderung des Mietverhältnisses vorgenommen hatte, wissen wir nicht. Sie lebte in der Herzogstraße 55 schon seit 1910. Dass sie den Schritt aber wohl überlegt gemacht hat, deckt sich mit einer Beobachtung einer Journalistin, die diese für eine Reportage schon 1925 machte: „diese Frau [Carry Brachvogel] beherrscht vor allem der Verstand. Die Gefühle, die in flimmerndem Durcheinander ihre Phantasie kreuzen, sind Diener, die sich willig der Organisation des Verstandes fügen.“

Am 22. Juli 1942 wurden Carry Brachvogel und Siegmund Hellmann nach Theresienstadt deportiert. Die Gestapo entwendete Kleider von Carry Brachvogel, die die Tochter kurze Zeit später beim Auktionator wieder zurückkaufte.

Die Strapazen und menschenunwürdigen Lebensbedingungen im Ghetto Theresienstadt überlebte Carry Brachvogel nicht lange – sie starb am 7. Dezember 1942.


Gedenken

Am 11.12.1992 fand die Benennung eines Raumes in der Münchner Seidlvilla in „Carry-Brachvogel-Salon“ statt.

Am 11. Juli 2024 wurde ein Erinnerungszeichen für Carry Brachvogel angebracht.

Erinnerungszeichen in der Herzogstraße 55 in München (Bild: © Tom Hauzenberger)

 

Text und Recherche

  • Eva Strauß

Quellen

  • Staatsarchiv München, Bestand Pol.Dir. München 5664  sowie OFD 9342.

  • Literaturarchiv Monacensia: Konvolut Brachvogel / Hellmann.  

Internetquellen

  • Allgemeine Zeitung, Ausgaben vom 6.12.1888 und 14.6.1925, gefunden auf https://digipress.digitale-sammlungen.de.

Literatur

  • Ingvild Richardsen: Einträge im Literaturportal Bayern, zu Carry Brachvogel: https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=119079682  und zu:

  • Die bürgerliche Frauenbewegung in München und Bayern und ihre Schriftstellerinnen https://www.literaturportal-bayern.de/themen?task=lpbtheme.default&id=1187

  • Ingvild Richardsen: „Modernsein“. Emma Haushofer-Merk und Carry Brachvogel. Die bürgerliche Frauenbewegung und der erste bayerische Schriftstellerinnen-Verein in der Maxvorstadt (1913-1933), in: Klaus Bäumler / Waldemar Fromm (Hg.): Topographie und Erinnerung. Erkundungen in der Maxvorstadt. München 2017, S. 67-104.

  • Ingvild Richardsen (Hg.): Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung 1894-1933. München 2018.

  • Judith Ritter: Die Münchner Schriftstellerin Carry Brachvogel Literatin, Salondame, Frauenrechtlerin, München 2016 (online abrufbar über einen kostenfreien Account bei der Bayerischen Staatsbibliothek)

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Anna Ansbacher, geb. Eberstadt

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Richard Burger