August Levi
Geboren am 24. Juni 1884 in Saarwellingen
Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas
Kindheit und Jugend
August Levi kam am 24. Juni 1884 in Saarwellingen als sechstes von insgesamt neun Kindern des Daniel Levy (6. Februar 1847 - 11. November 1903) und seiner Frau Helena (10. September 1847 - 26. Januar 1922) in Saarwellingen zur Welt. Sein Vater Daniel Levy betrieb in der Kirchenstraße 16 in Saarwellingen bereits in sechster Generation einen Vieh- und Pferdehandel und galt um 1900 als wohlhabend. In den saarländischen Aufzeichnungen tauchen die Schreibweisen Levy/Lewy/Levie auf, die Schreibweise Levi lässt sich für die Familie von August Levi erst in München nachweisen.
Über August Levis Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, vermutlich zog er 1898 für einige Jahre nach Bochum, um dort eine Lehre zu absolvieren. Da die Bochumer Einwohnermeldekartei im Krieg vernichtet wurde, lässt sich nichts Genaueres nachweisen. 1902 wird er wieder in Saarwellingen als Handelsgehilfe im elterlichen Betrieb geführt.
Ein erfolgreicher Pferdehändler
Nach dem Tod seines Vaters übernahm die Mutter Helena Levy zusammen mit den Söhnen Siegfried und August den Pferdehandel. Im April 1912 gab sie ihn ganz in die Hände ihrer Söhne. Der klein gewachsene, 1,55 m große August Levi diente im Ersten Weltkrieg als Soldat im Landwehr Infanterie Regiment in Metz. Nach dem Krieg heiratete er am 2. Januar 1922 in Kreuznach die 1893 in Weinsheim geborene Sophia (Sofie) Marx. Das Paar bekam drei Kinder: Heinrich Daniel kam am 3. Oktober 1922 zur Welt, Johanna Helena am 2. September 1923, und schließlich am 5. April 1935 Lore Rachel. Alle Kinder wurden in Saarlouis geboren.
Im März 1925 zog die Familie nach Saarlouis und ließ sich in der Werderstraße 5 nieder. Saarlouis hatte, vor Saarwellingen, die größte jüdische Gemeinde im Landkreis. 1927 zählte sie 269 Mitglieder und 1933 sogar 324. Hier betrieb August Levi ebenfalls einen Pferdehandel.
Das Saarland wird nationalsozialistisch
Mit der Angliederung des Saarlandes an das Deutsche Reich wurde die Situation für die jüdischen Bürger zunehmend schwieriger. Viele wanderten deshalb nach Lothringen und Luxemburg aus, so dass Ende 1935 nur noch 95 jüdische Einwohner in Saarlouis gezählt wurden, darunter war die Familie Levi. Auch sie geriet in wirtschaftliche Bedrängnis: August Levis Bruder Siegfried Levie, der zum Vorstand der jüdischen Gemeinde in Saarwellingen gehört hatte, verließ seinen Heimatort und emigrierte schließlich nach Algerien. Die Brüder verkauften deshalb die ihnen gemeinsam gehörenden Haus- und Grundstücke in Saarwellingen. Wie später gerichtlich festgehalten wurde, betrug der Verkaufspreis im September 1935 nur 41 % des tatsächlichen Wertes. Im Februar 1936 brachte der Erlös eines weiteren Grundstückes in Saarwellingen nur 43 % des eigentlichen Wertes.
Schon zur Jahreswende 1937/38 hatte seine Frau Sofie Kontakt zu ihren Verwandten in den USA aufgenommen, um die Auswanderung der Familie in die Wege zu leiten. Ihr Wunsch war, dass die Familie als Landwirte auf dem amerikanischen Kontinent eine neue Heimat finden sollte.
Im Adressbuch von Saarlouis von 1938 war die Familie August Levi eine von 17 noch in der Stadt lebenden jüdischen Familien. Sie wohnten nun in der Lisdorfer Straße 15. Wann der Umzug erfolgte und wovon die Familie lebte, ließ sich nicht ermitteln. August Levi besaß ein Arbeitsbuch, datiert vom 13. Oktober 1938 – ein Hinweis darauf, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Selbständiger im Pferdehandel tätig war. 1939 bescheinigte ihm der Ortsbauernführer, dass August Levi früher 6 Hektar landwirtschaftlich bewirtschaftet hatte.
Die Reichspogromnacht verlief in Saarlouis mit aktiver Beteiligung der Bevölkerung. Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört und geplündert, die Synagoge ausgeraubt und das Inventar auf dem Marktplatz angezündet. Das Gebäude selbst verschonte man, weil sich daneben ein Holzlager befand. Wie andernorts verhaftete die Gestapo die jüdischen Männer, darunter auch August Levi.
Er kam in das Gefängnis von Saarbrücken und wurde dann in das Konzentrationslager nach Dachau überstellt, wo er vom 15. November bis 19. Dezember 1938 inhaftiert blieb. Danach kehrte er nach Saarlouis zurück.
Das Haus Lisdorfer Straße 15 befindet sich auf der rechten Seite, entweder beim Ladenlokal „Gebr. Weis“ oder dahinter. Die Straße wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört.
Bild: Stadtmuseum Saarlouis
Aus dem Saargebiet nach München
Mit Kriegsausbruch 1939 wurde das Saargebiet zur roten Zone erklärt und evakuiert. Davon war auch die Familie Levi betroffen. Allein aus Baden und dem Saargebiet kamen etwa 350 jüdische „Rückwanderer“ nach München, die von der jüdischen Gemeinde betreut werden mussten. Else Behrend-Rosenfeld notierte, dass „der größte Teil der Rückwanderer nur mit einem Handköfferchen oder nur den Sachen, die sie auf dem Leibe trugen“ kamen. Sie mussten untergebracht und verpflegt werden, denn anders als die nichtjüdischen Ankömmlinge erhielten sie keine Kleiderkarten für notwendige Wäsche und Kleidung.
Die Familie Levi wurde nun getrennt: die Eltern lebten ab dem 13. September 1939 zunächst in der Tengstraße 32 im ersten Stock. Die Verhältnisse waren so beengt, dass die Kinder bald anderweitig untergebracht wurden. Ein knappes Jahr blieben sie in Schwabing und mussten sich dann Anfang September 1940 in die Lindwurmstraße 19 im vierten Stock bei Theodor Fellheimer einquartieren.
August Levi konnte in München fast nichts verdienen. Zunächst setzte ihn die jüdische Gemeinde als Ausgeher ein, aber auf Geheiß der Gestapo durfte er nicht mehr als 30 Stunden im Monat arbeiten. Später war er Hilfsarbeiter in einer Sauerkrautfabrik. Seine Vermögenserklärung kurz vor der Deportation zeigt die Armut der Familie an: „nur wertlose Wäsche und Kleider“. Der Versteigerungserlös für die zurückgelassenen Sachen aller Familienmitglieder betrug gerade einmal 177 Reichsmark, die Summe des zurückgelassenen Bargelds belief sich auf 21 Reichsmark.
Anfang November 1941 wurde August Levi zusammen mit seiner Frau, dem Sohn Heinz und der Tochter Lore für einige Tage in das Übergangslager Milbertshofen gebracht. Hier trafen sie ihre Tochter Johanna, die aus der Flachsröste Lohhof nach Milbertshofen kam. Am 20. November 1941 fuhr der Deportationszug mit knapp tausend Juden und Jüdinnen aus München ab. Bald nach der Ankunft in Kaunas ermordeten SS-Leute alle Ankömmlinge am 25. November 1941.
Erinnerung an August Levi
Am 20. Oktober 2022 wurde an der Tengstraße 32 ein Erinnerungszeichen gesetzt für August Levi, Sofie Levi, Heinz Levi, Johanna Levi und Lore Levi.
Text und Recherche
Eva Strauß
Quellen
Arolsen Archives, Schreibstubenkarten Dachau A-Z, 01010607 oS, Deportationsliste.
Archiv der KZ Gedenkstätte Dachau.
Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, E-Mail vom 24.6.2022.
Landesarchiv Saarland, Landgericht, Restitutionsakten 1686 / 1693 und E-Mails vom 14. und 17.6.2022
Staatsarchiv München OFD 7431 / WB I JR 5180 / WB I JR 612.
Stadtarchiv München EWK 65 / Datenbank Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden.
Stadtarchiv Saarlouis, Mail vom 12.5.2922.
United States Holocaust Museum Washington, Margaret Anne Goldsmith Hanaw collection.
Literatur
Behrend-Rosenfeld, Else / Rosenfeld, Siegfried: Leben in zwei Welten. Tagebücher eines jüdischen Paares in Deutschland und im Exil. Herausgegeben und kommentiert von Erich Kasberger und Marita Krauss. München 2011, hier S.103ff.
Klauck, Hans Peter: Jüdisches Leben in der Stadt und im Landkreis Saarlouis 1680-1940, Saarlouis ³2016.
Marx, Albert: Die Geschichte der Juden im Saarland. Vom Ancien Régime bis zum Zweiten Weltkrieg. Saarbrücken 1992.