Ein Ausflug nach Ichenhausen
Jüdische Gemeinde
Ichenhausen liegt im Landkreis Günzburg, ca. 60 km westlich von Augsburg. Rund ein halbes Jahrtausend nach der ersten urkundlichen Erwähnung von Ichenhausen gibt es im Jahr 1541 auch den ersten urkundlichen Nachweis für die Anwesenheit von Juden in Ichenhausen. Schließlich entwickelte sich der Ort zur ehemals größten Landgemeinde in Bayern. Er war einmal nach Fürth die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Bayern. Um 1830 lebten 1.300 Personen jüdischen Glaubens – nahezu die Hälfte der Einwohner – in Ichenhausen.
Synagoge
Im Jahre 1687 erbaute die jüdische Gemeinde eine erste Synagoge, die 1781 erweitert und umgebaut wurde. Ebenfalls wurde ein Anbau errichtet, in dem eine Schule, eine Rabbinerwohnung und im Keller eine Mikwe untergebracht waren.
Die Synagoge wurde in der der Pogromnacht am 9. November 1938 nicht abgebrannt, weil ein Feuer auf die Nebenhäuser übergegriffen hätte. Jedoch wurde am nächsten Morgen der Innenraum zerstört und der jüdische Friedhof geschändet.
Nach dem Krieg wurde das Gebäude an die Stadt verkauft, die es bis 1985 als Feuerwehrhaus nutzte. Danach wurde die ehemalige Synagoge als Bauwerk komplett restauriert und 1987 als „Haus der Begegnung“ feierlich eröffnet. „Die Ziele des Hauses sind: Die Förderung der Toleranz innerhalb der Religionen, das Näherbringen der Geschichte, Religion und Tradition jüdischer Kultur durch Ausstellung, eine Tonbildschau, Vorträge, Konzerte, Lesungen, Führungen usw.“ (1)
Im ersten Stock befindet sich die Dauerausstellung „Juden auf dem Lande – Beispiel Ichenhausen“. Darin wird die Geschichte der jüdischen Gemeinde von den Anfängen bis zu ihrer Vernichtung durch das NS-Regime nachgezeichnet. Im Keller kann die Mikwe besichtigt werden.
Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung unter Tel. Nr. 08223/7981922 oder unter E-Mail mueller@bg-ichenhausen.de. Die Synagoge ist jeden vierten Sonntag im Monat von 13:30 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet.
Jüdischer Friedhof
Die ersten Beisetzungen Ichenhausener Juden fanden im Friedhof von Burgau statt. Im Jahre 1568 wurde dann ein eigener Begräbnisplatz am südlichen Stadtrand von Ichenhausen errichtet.
Heute zählt der Friedhof mit einer Länge von fast 300 m und einer Breite von knapp 50 m zu den ältesten größeren Anlagen auf deutschem Boden. Der Friedhof besteht aus vier Teilen: links vom Eingang die Friedhofshalle mit dem Anbau des Taharahauses (Gebäude für Leichenwaschungen), östlich davon der neue Friedhofsteil mit Beisetzungen bis 1946 (drei „Displaced Persons“), dann folgt der älteste Teil, in dem jedoch die meisten Grabsteine nicht mehr erhalten sind und schließlich der »alte« Teil mit Belegungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Der älteste noch erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahre 1745.
Auf rund 10.000 Quadratmetern sind ca. 900 Grabsteine in unterschiedlichem Zustand erhalten. Schätzungen gehen von einer Gesamtzahl der beigesetzten Personen zwischen 7.000 und 8.000 aus.
Öffnungszeiten: Jeden 4. Sonntag im Monat 14:00–15.00 Uhr sowie nach Vereinbarung.
Nähere Informationen: Rathaus Ichenhausen, Tel: 08223 / 4005-52, während der Geschäftszeiten
Autoren
Ruth und Klaus-Peter Münch
Anmerkung
(1) Zitat: https://www.ichenhausen.de/index.php?id=75,21, abgerufen am 23.02.2020
Literatur
Stadtchronik:
Georg Kreuzer, Claudia Madel-Böhringer und Franz Ritter: Ichenhausen – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Band I: Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Band II: Ichenhausen im 20. Jahrhundert (1918–2000), Günzburg 2007, ISBN 978-3-00-022541-3Familienroman, der anschaulich das Dasein des Landjudentums am Beispiel Ichenhausen erzählt:
Rafael Seligmann: Lauf, Ludwig, lauf!: Eine Jugend zwischen Synagoge und Fußball. LangenMüller, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-7844-3466-7
Bildnachweis
Vorschaubild in der Blog-Übersicht: Hpschaefer, www.reserv-art.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons, Lizenz →
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