Olga Kohn

 

Staatsarchiv München
Pol.Dir. 14706

 

Grabstein Ludwig Schulhöfer

Grabstein Peppi Schulhöfer (Beide Bilder:Oded Zingher, Jüdisches Leben in Unterfranken - Biografische Datenbank e.V.)

 

Geboren am 18. September 1878 in Würzburg

Deportiert am 20. November 1941 nach Kaunas

Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas

 

Familie Schulhöfer

Olga Kohns Vater Ludwig (Louis) Schulhöfer war ein „unbescholtener und rechtschaffener Mann, der Wohltätigkeiten liebte“ - so steht es in hebräischer Schrift auf seinem Grabstein. Er war das sechste von acht Kindern des Pferdehändlers Nathan Schulhöfer und seiner Frau Anna Maria. 1793 in Estenfeld bei Würzburg geboren, ließ Nathan sich spätestens 1817 in Würzburg nieder.

Ludwig Schulhöfer, am 18. Juni 1842 in Würzburg geboren, lebte zunächst wie sein Vater Nathan vom Pferdehandel. Später stieg er als Partner seines Bruders Moses auch in den Handel mit Landesprodukten ein.


Olga Schulhöfers Elternhaus

Mitte der 1860er Jahre heiratete Ludwig Schulhöfer die fünf Jahre jüngere Peppi (Betty) Theilheimer. Seine eigene Familie war deutlich kleiner als die, in der er aufwuchs. Peppi Schulhöfer brachte zwei Töchter zur Welt: Am 2. Februar 1869 Helena (Helene) und am 18. Dezember 1878 Olga. Beide besuchten in Würzburg die Höhere Töchterschule.

Helena Schulhöfer heiratete um 1890 Louis Weill, Inhaber eines Herrengarderobegeschäfts nahe des Würzburger Doms. 1892 wurde Helenas Sohn Siegfried geboren, 1894 folgte Martha und 1898 Felix. 1902 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Frankfurt am Main.

Im April 1899, drei Jahre bevor ihre Schwester Würzburg verließ, zog Olga Schulhöfer mit ihren Eltern nach Aschaffenburg, verbrachte dort jedoch nur ein Jahr bis zu ihrer Hochzeit.

Für ihre Eltern blieb Aschaffenburg der neue Lebensmittelpunkt. Am 19. Februar 1906 starb Ludwig Schulhöfer im Alter von 64 Jahren.

Peppi Schulhöfer lebte bis ins hohe Alter in Aschaffenburg. Sie starb 88-jährig am 14. Januar 1935.

Ihre Grabstätten befinden sich auf dem Jüdischen Friedhof Aschaffenburg.


 

Familie Olga und Heinrich Kohn

Am 5. März 1900 heiratete Olga Schulhöfer in Würzburg den elf Jahre älteren Münchner Kaufmann Heinrich Kohn und zog mit ihm in seine Heimatstadt. Am 11. Februar 1902 kam in der Elvirastraße 3 im Stadtteil Neuhausen ihre Tochter Elisabeth zur Welt, zwei Jahre später folgte am 25. Januar 1904 Marie Louise.  

Im April 1914 verlegte die Familie ihren Wohnsitz in die Loristraße 7 im Stadtteil Maxvorstadt. Heinrich Kohn betrieb eine Getreide- und Futtermittelgroßhandlung. Der Familie ging es gut und beide Töchter konnten ihren eigenen Lebensweg wählen: Elisabeth Kohn studierte Rechtswissenschaften, promovierte und arbeitete als Rechtsanwältin. Marie Luise Kohn studierte an der Kunstakademie und war auf dem Weg in eine erfolgreiche Karriere. 


Machtübernahme der Nationalsozialisten

1933 änderte sich ihr Leben grundlegend. Die Nationalsozialisten übernahmen die Macht und gingen sofort aggressiv gegen Juden vor. Gleichzeitig erkrankte Heinrich Kohn schwer und erholte sich nicht mehr. Er starb am 30. Oktober 1933. Olga Kohn musste die Großhandlung allein weiterführen.

Im August entzog das Justizministerium der mittlerweile als Rechtsanwältin arbeitenden Tochter Elisabeth die Zulassung. Marie Luise, inzwischen als Künstlerin unter dem Namen „Maria Luiko“ bekannt, verwehrten sie die Mitgliedschaft im Reichsverband der Deutschen Künstler. Beides kam einem Berufsverbot gleich.


Nach dem Novemberpogrom 1938

Ende 1938 musste Olga Kohn ihren Gewerbebetrieb schließen und kurz darauf bestätigen, dass sie von nun an den Zusatzamen „Sara“ tragen werde. 1939 sperrten die Finanzbehörden die Konten aller Juden, nur das Abheben von 100 Reichsmark pro Woche war erlaubt.

Frundsbergstraße 8

Im September 1939 war die Familie Kohn nach fünfundzwanzig Jahren gezwungen, ihr vertrautes Zuhause  zu verlassen und in eine Wohnung im 1. Stock der Frundsbergstraße 8 in Neuhausen umzuziehen, einem „Judenhaus“. Viel konnten sie nicht mitnehmen, denn dort standen ihnen nur zwei Zimmer zur Verfügung. Olga Kohn lagerte deshalb Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände bei der Spedition Brückl in der Zieblandstraße ein. In das dritte Zimmer der Wohnung musste im Oktober die 50-jährige Masseurin Else Lewin einziehen. In dem Haus lebten ebenso beengt weitere zehn entmietete jüdische Münchner.

Bis zum Sommer 1941 wohnte Olga Kohn mit ihren Töchtern in der Frundsbergstraße, dann mussten sie auch diese Wohnung räumen. Zum 18. Juli 1941 wurden ihnen Zimmer in einem weiteren „Judenhaus“ in der Leopoldstraße 42 zugewiesen, in dem mehr als vierzig Münchner Juden einquartiert waren. Im Herbst 1941 mussten sie auch dieses Haus verlassen. Eine gemeinsame Unterbringung war zunächst nicht möglich. Olga Kohn fand am 13. Oktober für wenige Tage einen Unterschlupf in der Franz-Joseph-Straße 18. In der Pension Musch in der Landwehrstraße 6 konnte sie mit ihren Töchtern wieder gemeinsam untergebracht werden.


Deportation nach Kaunas

Anfang November 1941 erhielten sie einen Deportationsbescheid mit dem Hinweis, dass jede nur Gepäck im Gewicht von 50 Kilogramm mitnehmen dürfe.

Vom 10. November 1941 an mussten sie kurze Zeit im überfüllten jüdischen Übernachtungshaus in der Wagnerstraße 3 verbringen, bis man sie ins Barackenlager Milbertshofen transportierte, dem Sammellager vor den Deportationen. In der Vermögenserklärung vom 11. November 1941 bestätigte Olga Kohn, Schmuck, Goldwaren, Tafelgeschirr und Kristall abgeliefert zu haben und auf ihren gesperrten Konten neben einem Geldbetrag von 1.100 Reichsmark auch Wertpapiere von etwa 25.000 Reichsmark liegen. Nur bei der Spedition Brückl müssten noch Lager- und Umzugskosten beglichen und eine Rechnung von Frau Dr. Magda Schwarz bezahlt werden.

Am 20. November 1941 deportierte die Gestapo Olga Kohn mit ihren Töchtern Elisabeth und Marie Luise nach Kaunas in Litauen, wo sie fünf Tage später SS-Angehörige und litauische Helfer in Massenerschießungen ermordeten.


Dezember 1941:

Am 15. Dezember 1941, nur knapp vier Wochen nach der Deportation, ließ die Oberfinanzdirektion, „Dienststelle für Vermögensverwertung“, in der Turnhalle an der Schwanthalerstraße 87, die Reste von Olga Kohns Hab und Gut versteigern: 3 Couchgestelle (teilweise mit Polster) - Eisengestelle mit Federmatratzen, 1 Wäscheschrank, 1 Teil von einem Kleiderschrank, 4 Stühle (Polster), 1 Ausziehtisch, 1 großer Koffer, je 1 Posten Betten, Wäsche, Kleider, Schuhe, Bilder, 1 Spiegel. Erlös: 493 Reichsmark. Auch die Oberfinanzdirektion bediente sich und übernahm kostenfrei den Wäscheschrank und den Posten Wäsche.  

Die eingeleiteten Nachforschungen bei der Spedition Brückl brachten kein Ergebnis. Thomas Brückl gab an, von Olga Kohn keine Einrichtungsgegenstände übernommen zu haben. Lediglich eine Elise Kohn habe einige Stück eingelagert. Doch ein Rückschluss von Elise auf Lisel/Elisabeth Kohn ist naheliegend.


Schicksale der Familienangehörigen

Olga Kohns Schwester Helena Weill, seit 1932 Witwe, verschleppte die Gestapo am 2. September 1942 nach Theresienstadt, wo sie am 12. April 1944 ums Leben kam.

Ihr Neffe Felix Weill emigrierte 1933 mit seiner Frau Maria nach Marseille und verstarb dort 1936.  Siegfried Weill war im südfranzösischen Lager Gurs, Südfrankreich, interniert. Ob er überlebte, ist ebenso unbekannt wie das Schicksal ihrer Nichte Martha Weill.


Erinnerung an Olga Kohn

Stolpersteine vor der Loristraße 7, München (Foto: Privat)

Seit 20. November 2021 erinnern Stolpersteine vor dem Haus Loristraße 7 an Olga Kohn und ihren Mann Heinrich, sowie an die Töchter Dr. Elisabeth Kohn und Marie Luise Kohn.

Text und Recherche

  • Ingrid Reuther

Quellen

  • Arolsen Archives.

  • Bundesarchiv Berlin, Gedenkbuch.

  • Staatsarchiv München, Pol.Dir. 14706, OFD 7253, 7252.

  • Stadtarchiv Würzburg, Einwohnermeldebogen.

  • Stadtarchiv München, Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945; EWK 38.

  • Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg: Biographische Datenbank Jüdisches Unterfranken;

  • Meldebogen Louis (Ludwig) Schulhöfer.

Internet:

Literatur:

  • Wolfram Kastner: „hier wohnte…“, Projekt zur Erinnerung an jüdische Nachbarn in Neuhausen. München 2013, S. 37-42.

 
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Marie Luise Kohn

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Andreas Kolb