Heinrich Kohn
Geboren am 10. Juni 1866 in München
Gestorben am 30. Oktober 1933 in München
Elternhaus: Von Wassertrüdingen nach München
Heinrich Kohns Vater war der Lederhändler und Gerbermeister Salomon Kohn aus Wassertrüdingen. Anfang des 19. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinde Wassertrüdingens zu den wenigen wohlhabenden Gemeinden Mittelfrankens. Um 1850 regte sich, so erzählte es der Chronist Friedrich Löhrl, „…Groll, besonders der Landbewohner, gegen […] die Israeliten, so dass die wohlhabenden derselben sich eiligst flüchteten und ziemlich lange in sicherer Ferne verweilten…“.
Salomon Kohn war neunundzwanzig Jahre alt, als auch er 1859 seine Heimatstadt verließ. Im selben Jahr heiratete er noch in Wassertrüdingen die 18-jährige Johanna Billmann aus Schwabing, damals noch ein Dorf, und zog mit ihr nach München.
Johanna Kohn brachte nicht nur drei Kinder zur Welt, sie engagierte sich auch im Israelitischen Frauenverein, dessen Vorsitz sie viele Jahre innehatte. Durch sie war die Familie eng mit der jüdischen Gemeinde verbunden.
Geschwister
Zwei Jahre nach der Hochzeit kam am 4. Juli 1861 Heinrich Kohns Schwester Mathilde zur Welt. Über sie ist wenig bekannt. Sie heiratete jung den Kaufmann Theodor Pfeiffer. Mit der Geburt ihrer Tochter Gertrud (Gerty) 1881 machte sie Heinrich schon im Alter von fünfzehn Jahren erstmals zum Onkel. Das Geburtsdatum ihres zweiten Sohnes Karl Ludwig ist unbekannt.
Am 3. Mai 1863 wurde Emanuel geboren. Er besuchte das Maximiliansgymnasium und begann 1883 ein Studium in der Antikenklasse der Münchner Kunstakademie. Bis zur Eröffnung seiner „Vermittlung zum An- und Verkauf von Kunstgegenständen“ im Mai 1900 in der Herzog-Rudolf-Straße arbeitete er als Kunstmaler. 1905 heiratete er die Wienerin Elsa Kunstadt. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: 1908 kam Grete, 1910 Siegfried zur Welt.
Auch Heinrich Kohn, drei Jahre jünger als Emanuel, besuchte das Maximiliansgymnasium. Wie sein Vater wählte er nach der Schulzeit den Beruf eines Kaufmanns.
Familie Heinrich und Olga Kohn
Am 5. März 1900 heiratete Heinrich Kohn die 1878 in Würzburg geborene Olga Schulhöfer und gründete mit ihr in der Elvirastraße 3 in Neuhausen eine eigene Familie. Ihre beiden Töchter wurden hier geboren: Elisabeth kam am 11. Februar 1902 zur Welt, Marie Luise am 25. Januar 1904. Im April 1914 zog die Familie in die Loristraße 7 im Stadtteil Maxvorstadt. Beide Töchter besuchten das Lyzeum, das heutige Luisengymnasium. Elisabeth studierte nach dem Abitur Jura und arbeitete danach als Rechtsanwältin. Marie Luise hatte das künstlerische Talent ihres Onkels Emanuels geerbt und strebte ein Kunststudium an. Durch seinen Bruder wusste Heinrich Kohn um die Schwierigkeiten eines Künstlerlebens. Auf den Rat der Eltern hin ließ sich Marie Luise vor Beginn eines Kunststudiums als Kindergärtnerin ausbilden.
Heinrich Kohn betrieb von der Loristraße aus den „Großhandel für Getreide und Futtermittel Otto Engl“. Das Warenlager der Firma befand sich in der Schützenstraße 12 (heute Am Schützeneck) in Pasing, wo Otto Engl sich auch als Stadtrat politisch engagierte. Wann Heinrich Kohn den Großhandel übernahm, lässt sich nicht mehr feststellen. Als Otto Engl 1927 starb, war Heinrich Kohn einundsechzig Jahre alt. Es ist daher anzunehmen, dass der Großhandel schon viele Jahre zuvor in seinen Besitz übergegangen war.
Machtübernahme der Nationalsozialisten
Am 9. März 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht auch in Bayern und gingen umgehend rigoros gegen Juden vor. Noch in den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tages verhafteten sie den Anwalt Max Hirschberg, den Kollegen seiner Tochter Elisabeth.
Knapp drei Wochen später inszenierten sie am 1. April einen Boykott jüdischer Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien. Uniformierte SA- und HJ-Posten hinderten Kunden, Patienten und Klienten daran, hineinzugehen. Vielerorts standen Schilder und Plakate mit den Aufrufen „Kauft nicht bei Juden“. Inwieweit auch der Großhandel Otto Engl davon betroffen war, ist unbekannt.
Wenig später entzog die Rechtsanwaltskammer Elisabeth die Zulassung, gleichzeitig verwehrte der Deutsche Kulturbund Marie Luise die Mitgliedschaft – beides kam einem Berufsverbot gleich. Heinrich Kohn war erkrankt. Das aggressive Vorgehen der Nationalsozialisten, das auch die Zukunft seiner Töchter bedrohte, blieb sicher nicht ohne Auswirkungen auf seine angeschlagene Gesundheit. Er erholte sich nicht mehr. Heinrich Kohn starb am 30. Oktober 1933. Er wurde auf dem Alten Israelitischen Friedhof in Sektion 28, Reihe 9, beigesetzt. Die Renovierung des verwitterten Grabsteins ist geplant.
Schicksal seiner Familie
Olga Kohn führte die Getreidegroßhandlung bis Ende 1938 weiter. Am 20. November 1941 wurde sie gemeinsam mit ihren Töchtern Elisabeth und Marie Luise nach Kaunas verschleppt und am 25. November dort ermordet.
Schicksale der Angehörigen
Emanuel Kohn befand sich auf dem Transport vom 18. Juni 1942 nach Theresienstadt, er überlebte das Ghetto nur vier Wochen; seine Frau Elsa wurde am 10. Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Heinrich Kohns Nichte Gertrud (Gerty) Pfeiffer wurde 1943 nach Auschwitz verschleppt. Über ihr weiteres Schicksal und das der anderen Familienangehörigen ist nichts bekannt.
Erinnerung an Heinrich Kohn
Seit 20. November 2021 erinnern Stolpersteine vor dem Haus Loristraße 7 an Heinrich Kohn und seine Frau Olga, sowie an die Töchter Dr. Elisabeth Kohn und Marie Luise Kohn.