Curt Moskovitz
Geboren am 20. Februar 1920 in München
Gestorben am 14. Januar 1939 in München
Die Familie Moskovitz
Curt Moskovitz und seine Zwillingsschwester Lilli wurden am 20. Februar 1920 in München geboren. Seit 1925 lebten sie mit ihren Eltern in der Westendstraße 141. In dem Mietshaus, das der Genossenschaft „Familienheim München-West“ gehörte, betrieb ihr Vater ein Textilgeschäft. Eine weitere Filiale befand sich in der Guldeinstraße 33.
Der Vater Leopold Moskovitz wurde am 18. Juli 1886 in München geboren und lebte seither in der bayerischen Hauptstadt. Im Mai 1919 heiratete er die aus Österreich stammende Maria Frieser. Sie wurde am 24. Oktober 1892 in Wien geboren und zog 1908, im Alter von 16 Jahren, nach München. Dort besuchte sie die Kaufmännische Fortbildungsschule.
Leopold Moskovitz galt als freundlicher und zuvorkommender Geschäftsmann, der seinen Kunden Kredit gewährte. Im Jahr 1932 übernahm er die Patenschaft für zehn Kinder aus ärmlichen Verhältnissen und finanzierte ihnen die Kommunionsausstattung. Drei von ihnen stammten aus kommunistischen Familien, vier aus NSDAP-Familien und weitere drei aus Familien, die der Bayerischen Volkspartei angehörten.
Curt Moskovitz’ Kinderjahre
Bereits als Kind verbrachte Curt Moskovitz immer wieder längere Zeit außerhalb seines Elternhauses. Im Frühjahr 1930 hielt sich der 10-Jährige für eine Weile in Herrlingen bei Ulm auf. Auch zwischen Dezember desselben und Juli des Folgejahres lebte er nicht zu Hause, sondern in der Münchner Bruderstraße 12 bei der jüdischen Familie Lamm. Dort lernte er auch den Sohn Hans kennen. Hans Lamm verfasste später mehrere Werke zur jüdischen Geschichte und Kultur und war von 1970 bis 1985 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Am 4. März 1933 feierte Curt Moskovitz in München seine Bar Mizwah. 1935 verbrachte er abermals ein paar Monate ohne seine Eltern und lebte stattdessen in Horn bei Radolfzell. Genaueres ist zu diesen Aufenthalten nicht bekannt.
Ein schwerer Schicksalsschlag
Das Jahr 1934 markierte in Curt Moskovitz’ jungem und unbeschwertem Leben einen Wendepunkt. Er verlor deutlich an Gewicht und verspürte Schmerzen beim Schlucken und in der Magen- und Lebergegend. Nach einer ärztlichen Untersuchung stand die Diagnose fest: Er litt an progressivem Muskelschwund. Die tödliche Erkrankung schritt rasch voran. Vom 1. bis zum 19. Oktober 1938 war ein Aufenthalt im Schwabinger Krankenhaus bereits unumgänglich.
Zu diesem Zeitpunkt bestimmte die massive antisemitische Verfolgung das Leben der jüdischen Münchner, aber kein Land erteilte dem schwerkranken Curt Moskovitz ein Visum. Für seine Familie, die ihn nicht allein lassen wollte, bedeutete dies, dass auch sie nicht aus Deutschland emigrieren konnte.
Die Novemberpogrome
In der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 verwüsteten und plünderten die Nationalsozialisten die beiden Läden der Familie Moskovitz. Curt Moskovitz’ Eltern versteckten sich daraufhin für drei Tage bei ihren Nachbarn. Sein Vater wurde dennoch gefasst und im Rahmen der Verhaftung von 30.000 jüdischen Männern bis zum 5. Dezember 1938 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.
Zeitgleich setzten die Nationalsozialisten massiv Zwangsversteigerungen und Berufsverbote für Juden durch. Die Vermögensverwaltung schätzte in diesem Zuge sowohl das Textilgeschäft in der Westendstraße als auch das in der Guldeinstraße, um eine Zwangsversteigerung vorzubereiten. Leopold Moskovitz protestierte gegen den wohl zu niedrig angesetzten Wert seiner beiden Läden. Seine Bemühungen blieben allerdings ohne Erfolg und so „arisierten” die Nationalsozialisten im Frühjahr 1939 die beiden Geschäfte. Die Familie verlor dadurch ihre Lebensgrundlage.
Ein Akt der Verzweiflung
Vielleicht vor diesem Hintergrund sowie der Tatsache, dass eine Genesung und damit auch die Emigration für seine Familie ausgeschlossen waren, unternahm Curt Moskovitz einen Suizidversuch. Er wurde daraufhin am 24. Dezember 1938 abermals in das Schwabinger Krankenhaus eingewiesen und von dort im darauffolgenden Januar in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt.
Nur wenige Tage später, am 14. Januar 1939, verstarb er dort im Alter von noch nicht einmal 19 Jahren. Aus seiner Sterbeurkunde geht hervor, dass der „Gärtnergehilfe Israel Kurt Moskovitz” in den frühen Morgenstunden seinen Beschwerden erlag. Als Todesursache wird „Depressionen, fortschreitender Muskelschwund, Herzmuskelschwund und plötzlicher Tod” genannt. Das überschaubare Hab und Gut von Curt Morkovitz wurde direkt am Tag des Todes an seinen Vater Leopold Moskovitz ausgehändigt.
Curt Moskovitz liegt auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Sektion 6, Reihe 5, Platz 9 begraben. Seit 15. Juli 2021 erinnert eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnort in der Westendstraße 141 an ihn.
Flucht seiner Schwester und Eltern in die Vereinigten Staaten
Am 17. Januar 1939 gelang Lilli Moskovitz die Emigration in die USA. Sie heiratete am 20. Februar 1944 in New York den aus Koerbeke, Westfalen, stammenden Max Katzenstein, ließ sich jedoch kurze Zeit später wieder scheiden. Am 9. Februar 1948 schloss sie ihre zweite Ehe mit dem verwitweten Eli Samuel Chused. Sie lebte bis zu ihrem Tod am 30. März 2000 in Palm Springs, Kalifornien, wo sie das Textilgeschäft “Lilli Chused Fashion” betrieb. Ihrem Sohn aus zweiter Ehe gab sie in Andenken an ihren Zwillingsbruder den Namen Kurt. Dieser starb kinderlos am 21. Dezember 2006 in seiner Geburtsstadt Palm Springs.
Am 29. August 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, flohen auch Leopold und Maria Moskovitz in die Vereinigten Staaten. Ihre erste Anlaufstelle war New York, jedoch zogen sie später nach Kalifornien. Maria Moskovitz starb am 2. Juni 1962 in Los Angeles, ihr Ehemann nur zwei Monate später, am 20. August.
Das Schicksal weiterer Familienangehöriger
Während die Emigration in die Vereinigten Staaten vielen Angehörigen und Bekannten Curt Moskovitz’ ein neues Leben ermöglichte, schafften es andere Familienmitglieder nicht rechtzeitig, der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen.
Leopold Moskovitzs Schwestern Anna, Wilhelmine und Rosa Moskovitz wurden am 25. November 1941 in Kaunas ermordet. Lediglich seinem Bruder Julius gelang im Juni 1936 die Flucht nach Buenos Aires, Argentinien.
Maria Moskovitzs Vater wurde am 10. September 1942 von Wien nach Treblinka deportiert und ermordet, während ihre Schwester Therese Frommann nach der Emigration nach Belgien von dort aus über das Lager Mecheln nach Auschwitz abtransportiert und getötet wurde. Einige Geschwister von Maria Moskovitz konnten jedoch ins Ausland fliehen: Alexander Frieser emigrierte im Juni 1936 nach Wien. Rosa Weil gelang die Flucht nach Johannesburg, Wilhelm Frieser emigrierte im März 1936 über die Niederlande in die USA. Rudolf Frieser wanderte im Juli 1933 über Antwerpen nach New York aus und Dorothea Davidson floh im April 1939 nach Rhodesien und von dort 1940 nach New York. Maria Moskovitz’ Mutter gelang ebenfalls die Flucht. Im August 1939 emigrierte sie von München nach Antwerpen, Belgien.
Text und Recherche
Anna-Lena Lang
Quellen
Stadtarchiv München, EWK 38, Einwohnermeldekarte Curt Moskovitz.
Stadtarchiv München, Datenbank zum Biografischen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933– 1945.
Archiv der Gemeinde Haar, Sterbeurkunde Curt Moskovitz.
Internetquellen
www.muenchen.de/kgp (aufgerufen am 03.08.2020).
https://arolsen-archives.org Sg. 02010101/ 699156 (aufgerufen am 03.08.2020).
Literatur
Voigt, Fritz: Widerstand und Verfolgung im Münchner Westend 1933–1945. Ein Stadtteilführer, KulturLaden Westend (Hrsg), München 1997.