Emma Wallach

S-Z

Geboren am 17. Juli 1878 in Ichenhausen
Deportiert am
20. November 1941 nach Kaunas
Ermordet am 25. November 1941 in Kaunas

 

Familie Koschland

Grabstein Regina und Isidor Koschland, Friedhof Ichenhausen (Foto: Privat)

Emma Koschland wurde am 17. Juli 1878 in Ichenhausen, im schwäbischen Landkreis Günzburg geboren. Der Ort war lange Zeit die größte jüdische Landgemeinde in Bayern. Um 1880 waren gut ein Viertel der Einwohner Juden. Hier wuchs Emma als zehntes Kind des Kaufmanns Israel Isidor Daniel Koschland und Regina Koschland, geborene Sinsheimer auf. Vier Geschwister sollten ihr noch folgen. Die Koschlands waren eine alteingesessene, sehr streng nach den religiösen Vorschriften lebende Familie und wohnte in der heutigen Hubergasse 6/8. Die Gräber von Regina und Isidor Koschland befinden sich auf dem jüdischen Friedhof von Ichenhausen.

 

Heirat mit Julius Wallach und gemeinsame Kinder

Am 27. Oktober 1903 heiratete Emma Koschland den aus Bielefeld stammenden Julius Wallach. Er wurde am 7. September 1874 als eines von zehn Kindern des Ehepaares Julie und Heinemann Wallach geboren. Emma und Julius Wallach bekamen drei Kinder, die alle in München geboren wurden: Hildegard am 6. August 1904, Helmuth am 16. November 1907 und Gertrud am 16. Dezember 1908. Am 28. Mai 1927 wurde die Ehe geschieden.

Über das Ende der Ehe erfahren wir mehr in der Biografie von Julius Wallach. So schreibt er 1964 dass er sah, als er Ende 1918 aus dem Krieg heimkehrte, dass seine Frau „… das fröhliche Leben mehr liebte als es für ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter gut war… Ihr Ausspruch war: »Ich will was habe von mei Lebe. Ich will mich amisiere!«“ Julius Wallach räumte nach der Heirat ein, dass seine aus einer sehr religiösen Familie stammende Frau sich langsam an seine gegenteilige Anschauung gewöhne. Zur Scheidung schrieb er: „Der Grund hieß bösartiges Verlassen meinerseits, und ich habe in nobelster Form finanzielle Opfer gebracht, die es Frau Emma ermöglichten, auch weiterhin ein Leben nach ihrer Fasson zu führen.“


Julius Wallach

Julius Wallach war im Jahre 1895 mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Moritz nach München gezogen. Dort hatten sie am 9. November 1900 das „Fachgeschäft für Landestrachten“ in der Lindwurmstraße 145 gegründet. Nach fünf Jahren zogen sie mit dem Geschäft in die Residenzstraße 3 und entwickelten es zum international führenden Haus für Trachtenmode. In den 1920er Jahren gehörte ihr „Volkskunsthaus“ zu Münchens Sehenswürdigkeiten mit einer umfassenden Sammlung europäischer Volkskunst.

Aufnahme des Geschäfts in der Residenzstraße 3, Foto: privat, Quelle: Jüdisches Museum München


Verschiedene Wohnadressen

Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs zog die Familie Wallach am 24. Juni 1914 in die Ismaninger Straße 106 in München. Hier wohnte Emma Wallach bis 1937. Danach wohnte sie in der Galeriestraße 17 zur Untermiete, später bis September 1939 in einer eigenen Wohnung in der Sternwartstraße 11. Ab Oktober 1939 bis zu ihrer Deportation lebte sie am Biederstein 7.


Denunziation von Emma Wallach

Emma Wallach mit ihren Enkeln Vladimir Kagan und Tanya Josefowitz
Noren, Catherine Hanf: The Camera of my Family, New York: Alfred A. Knopf 1976, S. 46

Am 10. Juli 1939 wurde Emma Wallach wegen Vergehens gegen das sogenannte Heimtückegesetz von 1934 zu zwei Monaten Gefängnis und Übernahme der Kosten des Verfahrens verurteilt. Was war geschehen? Am 7. März 1939 lud Emma Wallach eine Bekannte für den nächsten Tag zum Essen ein und wollte auf deren Wunsch Spinat kochen. Sie ging in den Gemüse- und Obstladen von Georg Weinzierl in der Ismaninger Straße 112 und verlangte Spinat. Als sie erfuhr, dass keiner vorrätig sei, habe sie nach Aussage einer weiteren Kundin gesagt: „Aber der Göring sagt, dass alles da ist“. Hermann Göring war als „Bevollmächtigter für den Vierjahresplan“ für die NS-Wirtschaft zuständig. Es entwickelte sich dann offenbar ein Disput zwischen Frau Wallach und der Kundin, Frau Angstmann.

Diese erzählte es ihrem Mann, einem Maler, der schon länger keinen Auftrag von Frau Wallach bekommen hatte. Er riet seiner Frau, zur Polizei zu gehen und Anzeige wegen Beleidigung zu erstatten. Im Urteil wird erwähnt, dass Frau Wallach schuldlos geschieden sei und in München von dem Unterhalt lebt, den ihr ehemaliger Mann ihr zu gewähren habe. Sie habe drei Kinder, der Sohn lebt in Spanien, die Töchter sind in Amerika und Dänemark verheiratet. Die Angeklagte sei nicht vorbestraft und politisch nicht hervorgetreten oder beanstandet worden. Die Vollstreckung der Strafe wurde ausgesetzt. Ein Bewohner der Ismaninger Straße 110, Herr Henninger, erstattete 1947 Anzeige gegen Frau Angstmann wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, weil er einen Zusammenhang zwischen der Denunziation und der Deportation von Frau Wallach sah. Das Verfahren wurde eingestellt.


Deportation und Ermordung

Emma Wallach bemühte sich im Sommer 1939 vergeblich um Emigration nach England. Der sie vertretende Anwalt hatte 1942 für die Beratung und Unterstützung in ihrer Auswanderungsangelegenheit eine Honorarforderung von 355 RM beim zuständigen Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg eingereicht und diese trotz deutscher Gründlichkeit versehentlich sogar doppelt ausbezahlt bekommen.

Stadtarchiv München, Kennkartendoppel 1938/39

Auf der Deportationsliste nach Riga vom 15. November 1941 wurde Emma Wallach mit der Nummer 314 aufgeführt. Die Gestapo unterrichtete die betreffenden Personen schon Tage vorher über ihre bevorstehende Deportation. Die Menschen mussten die Transportkosten von 50 RM selbst tragen. Ihnen war erlaubt, 50 kg Gepäck und Proviant für drei Tage mitzunehmen. Die von Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, initiierte erste Deportation Münchner Jüdinnen und Juden aus der „Hauptstadt der Bewegung“ verließ die Stadt am 20. November 1941. Der Zug mit den etwa 1.000 jüdischen Frauen, Männern und Kindern wurde jedoch nach Kaunas umgeleitet und erreichte sein Ziel am 22. November 1941. Er war einer von fünf Transporten aus dem Reich – die anderen Transporte gingen von Berlin, Frankfurt, Wien und Breslau aus –, der statt wie geplant nach Riga ins litauische Kaunas fuhr. SS-Männer des Einsatzkommandos 3 der Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD erschossen die Frauen, Männer und Kinder dort am 25. November 1941.


Schicksale der Kinder und des Ehemanns

Emma Wallach (rechts) mit - von links nach rechts – Sohn Helmuth, Ehemann Julius, Töchter Hildegard und Gertrud, Foto: privat, Quelle: Josefowitz, Tanya: I Remember - Ich denke an …, hrsg. Jörg W. Rademacher, 2020

Die Tochter Hildegard Wallach war im November 1932 nach Worms gezogen und heiratete dort den Kunsthändler Ilja Kagan. Das Ehepaar emigrierte 1938 in die USA. Hildegard Kagan starb am 11. Oktober 1997 in Genf.

Der Sohn Helmuth Wallach lebte ab 1935 bei seiner Schwester Gertrud Hansen in Kerteminde, bei Odense in Dänemark. Ab 1936 war er als Landwirt auf Ibiza tätig, heiratete dort 1940 und wanderte später mit Frau und Sohn nach Brasilien aus. Er starb 1997 im brasilianischen Alfenas.

Die Tochter Gertrud Wallach zog am 14. Mai 1929 nach Dänemark und ging zweimal eine Ehe ein. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Der geschiedene Ehemann Julius Wallach emigrierte mit seiner zweiten Ehefrau Johanna, geborene Einstein, im Sommer 1939 nach New York. Nach dem Tode seiner Frau im Jahre 1954 kehrte er 1962 (als amerikanischer Staatsbürger) nach Bayern zurück. Er starb 1965 in Neubeuern.

Die Geschwister von Emma Wallach

Zwei Schwestern von Emma Wallach wurden im Ghetto Theresienstadt ermordet, eine andere starb 1942 in Ichenhausen. Vier Geschwistern gelang die Emigration in die USA und vier verstarben schon als junge Menschen in ihrem Heimatort. Das Schicksal von zwei Geschwistern konnte nicht ermittelt werden.

Text und Recherche

  • Ruth und Klaus-Peter Münch

Quellen:

  • Stadtarchiv München, Einwohnermeldekartei.

  • Stadtarchiv München, Hausbogen.

  • Stadtarchiv München, Datenbank zum Biografischen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945, Polizeimeldebogen.

  • Stadtarchiv Ichenhausen, Standesamtsregister.

  • Staatsarchiv München, WB I a 3762, WB I IR 8471, OFD 7064, Polizeidirektion München 15313.

  • IfZ Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Fa 208, Deportationsliste Riga vom 15.11.1941.

Internetquellen:

Literatur:

  • Josefowitz, Tanya: I Remember - Ich denke an …, hrsg. Jörg W. Rademacher, 2020.

  • Minninger, Monika; Meynert, Joachim und Schäffer, Friedhelm: Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933 – 45: eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale, hrsg. vom Stadtarchiv Bielefeld 1985.

  • Noren, Catherine Hanf: The Camera of my Family, 1976.

  • Wallach, Julius, Chronik der Familie Wallach, MS 1964, Archiv des Leo Baeck-Instituts New York; online zu lesen: http://access.cjh.org/417568 zuletzt geöffnet 11.10.2021, Seiten 47 - 53.

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Max Ursprung

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Dr. phil. Karl Josef Weigang